1. Meine Welt

Kommentar: Logbuch: Das haben Sie noch nie gemacht

Kommentar : Logbuch: Das haben Sie noch nie gemacht

Stellen Sie sich vor, Sie würde der nette, Ihnen freundschaftlich zugewandte Polizist ansprechen und Sie höflichst darauf hinweisen, dass Sie gerade vor einem Kindergarten trotz roter Ampel über die Straße gelaufen sind.

Sie sollten sich doch mal in einer ruhigen Minute Gedanken darüber machen, ob Sie mit dieser Aktion als Erwachsener Ihre Vorbildfunktion gegenüber den Kindergartenkindern erfüllen. Sie hätten doch bestimmt schon einmal diese Schilder gesehen mit der Aufschrift „ Nur bei Grün – den Kindern ein Vorbild!“

Sie merken sofort, autsch, Sie haben etwas falsch gemacht. Reue klettert in Ihnen hoch. „Mache ich sonst nie“, sagen Sie schnell, und der nette Nachbar bestätigt sofort: „Nee, noch nie.“ Eines der Kinder aber ruft in die Debatte: „Das ist kein Vorbild für mich, da könnte ja jeder bei Rot über die die Straße laufen.“ Argumente fliegen, Köpfe reden sich heiß. Sie erklären dem immer noch höflichen Polizisten noch einmal alles („ja, es war dumm“). Und schließlich lassen sie unmerklich Ihre Schultern fallen, atmen tief durch und sagen: „Also gut, heute gehe ich nicht mehr zu Fuß!“ Diese Selbstbestrafung – das katapultiert Sie fast in den Heldenstatus. Der Polizist winkt ab. Sie müssen natürlich kein Ordnungsgeld bezahlen. Und bald sind Sie ja wieder zu Fuß unterwegs.

Eine Bagatelle? Ja, vielleicht. Aber stellen Sie sich vor, Sie zerpflügen den Vorgarten Ihres Nachbarn oder pinkeln in den Dorfteich oder setzen ein Auto in Brand. Machen Sie sonst nie, wissen wir schon. Oder Sie äußern sich als Aufsichtsratsvorsitzender des legendären FC Schalke 04 und Chef von mehreren tausend Arbeitnehmern diffamierend über Menschen in Afrika. Autsch! Quasi so rausgerutscht. Bei einer Rede am Tag des Handwerks. Mist. Der nette höfliche Polizist nickt. Und Sie lassen Ihr Amt bei Schalke drei Monate ruhen. Donnerwetter. Das Gras wächst doch immer wieder nach.

Natürlich ist es wichtig, auch mal Fünfe gerade sein lassen zu können. Und es ist sicherlich auch ganz schwierig zu bestimmen, wann und wo und wie lange die Fünf gerade ist. Und wer bestimmt das überhaupt? Aber, Herr Tönnies, da reicht ein „Autsch“ nicht mehr.