1. Meine Welt

: Verteilen ist ein Wort der Tat

: Verteilen ist ein Wort der Tat

Gerade warst du auf dieser Versammlung. Du hast ein Bierchen getrunken. Und später noch ein Wasser. Du warst ja mit dem Auto da. Gegessen hast du nichts. Sodbrennen. Deswegen. Du und deine Kumpel, ihr habt die Köpfe zusammengeschoben, und ihr habt analysiert. Die Wahl in Thüringen.

Genau, vor allem die Landtagswahl in Thüringen. Das war ja wirklich ein Ding. Wie die alle gerade euch auf den Leim gegangen sind. Habt ihr gar nicht kommen sehen – und dann: zack! Jetzt endlich wart ihr mal nicht Opfer, jetzt wart ihr aktive Täter. Für ein paar Tage zumindest.

Nachdem einige eurer Kollegen in Krefeld sogenannte Malbücher verteilt haben, konntet ihr schnell wieder in die Opferrolle schlüpfen. Euch wird zu Recht vorgeworfen, mit diesen rassistischen Motiven Menschen mit Migrationshintergrund pauschal zu verunglimpfen. Dieses Malbuch ist einfach widerlich. Und dann sagt ihr, das sei doch Satire. Ihr möchtet gar nicht, dass Kinder dieses Malbuch mit Farben füllen, ihr möchtet nur provozieren, damit ihr sagen könnt: „Immer werden wir angegriffen. Wir kommen doch aus der Mitte, wir sind doch bürgerlich.“ Eine bürgerliche Partei aus der Mitte verteilt solche Malbücher nicht. Sie lässt sie noch nicht einmal drucken. Noch nicht einmal in Auftrag geben. Sie denkt noch nicht einmal daran. Sie weiß gar nicht, dass man so etwas überhaupt denken kann.

Denkst du darüber nach,

dass du dich auch
distanzieren könntest?

Wenn du nun ein persönliches Fazit ziehst, fühlst du dich dann wohl? Bei der nächsten Versammlung nickst du den anderen vielleicht zu. Ja, das war mal wieder ein Ding, was? Aber was denkst du so insgeheim? So im Gespräch mit dir selbst? Gefriert dir dann nicht das Blut in deinen Adern? Bist du sicher, dass du mit den Geistern, die andere riefen, umgehen kannst? Vielleicht bist du im Herzen politisch konservativ. Von mir aus. Vielleicht hast du dich auch nicht genügend und nur einseitig informiert. Vielleicht passt dir Frau Merkel einfach nicht. Aber wenn du einfach „Protest“ wählen willst, warum wählst dann nicht etwas anderes? Das wäre auch Protest. Aber es wäre nicht ein Schulterschluss mit denen, die solche Malbücher verteilen. Wenn du von diesen Versammlungen nach Hause fährst, denkst du dann nicht mal darüber nach, dass du dich auch distanzieren könntest?

Und jetzt? Jetzt liefert beinahe die gesamte Presse der Republik ausführlich Material, damit du dich noch tiefer in deine Opferrolle vergraben kannst. Da ist oft genug von Mitschuld an den Anschlägen in Hanau die Rede, von geistigen Brandstiftern. Nein, sagst du, damit hab ich nun wirklich nichts zu tun. Was kannst du denn dafür, wenn so ein Verrückter ...? Du weißt: da läuft etwas richtig schief. Und jetzt? Du könntest dich von den Malbüchern distanzieren, von all diesen rassistischen Sprüchen deiner Kumpel, du könntest Rückgrat zeigen. Dabei musst du gar nicht dein Gesicht verlieren. Konservativ zu sein, ist nicht verboten. Sich nicht davon lösen zu können, Wegbereiter oder Trittbrettfahrer für Hass und Hetze zu sein, das grenzt dich aus. Du, der gerne ausgrenzt.