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Update: Kosten werden umgelegt, bis dato handele es ich aber nur um "Schätzzahlen": Abgerechnet wird am Schluss

Update: Kosten werden umgelegt, bis dato handele es ich aber nur um "Schätzzahlen" : Abgerechnet wird am Schluss

Auf 91 500 Euro beläuft sich die Summe, die Klaus Barthelmes als Anwohner an den Kanal- und Straßenarbeiten auf Konstantinstraße und Bahner voraussichtlich laut Kommunalabgabengesetz (KAG) anteilig zahlen soll.

Eine Summe, die ihn in den Ruin treiben würde.

Das Licht ist gedämpft. An einem Stehtisch stehen zwei Pärchen und schauen Fußball. Dreiviertel der Tische sind besetzt, die Gäste unterhalten sich entspannt, genießen den Samstagabend. Es ist gemütlich und warm bei Barthelmes. Ein Familienbetrieb, bestehend aus Reitstall und Gastronomie, der an die 20 Vereine bewirtet und alles gibt, um sich über Wasser zu halten.

Seit Ende Mai 2015 sind dunkle Wolken aufgezogen über dem Straßenzug Konstantinstraße und Bahner. Es kam ein Brief von der Stadt. In harmloser Weise, denn es stand noch kein Unheil ahnendes Eurozeichen im gesamten Brief. Aber ein Satz ließ Ahnungen aufkommen: "Die notwendige Sanierung der Straße und des Kanals löst entsprechend des Kommunalabgabegesetzes (KAG) für das Land NRW eine Beteiligung der Eigentümer an den Ausbaukosten aus." Es folgte die Angabe von zwei Telefonnummern samt Ansprechpartnerinnen unter der sich der Angeschriebene zum Thema KAG schlau machen könne.

In nächsten Brief der Stadt im September 2016 kam dann "Butter bei die Fische" und zwar in Form einer Geldsumme von zusammengerechnet 91 500 Euro. Klaus Barthelmes kann das Gefühl kaum noch beschreiben, das ihn in diesem Moment überkam. Im Nachhinein nennt der 80-Jährige es Wut. Wut und Sorgen begleiten ihn seit diesem Tag, denn er denkt weiter, denkt an seine Kinder und Kindeskinder. Seine Augen sind rot unterlaufen, nicht verwunderlich, denn er bekennt: "Ich schlafe nicht mehr."

Er erklärt, dass die Hälfte seiner Pferdeboxen leer seien, seine Kundinnen sind Mädchen von acht bis 16 Jahren. "Ich bin dankbar, dass unsere Gastronomie so guten Anklang findet, denn sonst sähe es schon lange verdammt schlecht aus." In einem Brief bei Facebook habe er die Bürger angesprochen, habe seine Meinung kundgetan und sehr viele hätten es gelesen. Jeder gäbe ihm recht, er hätte noch keinen einzigen gehört, der ihm nicht zustimme. Gegen das "Wunderwerk" des KAG, wie er es ironisch nennt, könne sich kein Bürger wehren und jeder würde gesetzestreu zur Kasse gebeten. Auf den Brief seiner Anwältin, die auf ein eventuelles Kommunikationsdefizit seitens der Stadt hinwies als auch auf die Tatsache, dass der Straßenausbau anlässlich einer notwendigen Regenwasserkanalsanierung als notwendige Reparatur betrachtet werden könne, kam sinngemäß folgende Antwort: Bei der Planung einer straßenbaulichen Maßnahme ist eine unmittelbare Beteiligung des Bürgers nicht vorgesehen. Es bestehe auch keine Rechtspflicht der Gemeinde, die Anlieger vor Durchführung einer Maßnahme zu informieren oder sie vorher zu befragen. Dass im Zusammenhang mit der Erneuerung von Kanalleitungen auch die Straße erneuert wird, steht im Ermessen der Gemeinde.

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Beschlossen wurden die Ausbaumaßnahmen Ende August 2015 durch die Bezirksvertretung Ost und Anfang September durch den Planungs-und Bauausschuss. Geplant ist der Straßenausbau für die Jahre 2017 und 2018. Nach der Schlussabnahme der Arbeiten wird die beitragsrechtliche Situation bewertet werden. "Die Hälfte der Anwohner sind Rentner", sagt Klaus Barthelmes. "Das Haus verkaufen oder einen Kredit aufnehmen? Nicht alle, aber einige von uns wird dies in den Ruin treiben."

Auch Hajo Siemes, Sprecher der Grünen der Bezirksvertretung Ost, steht auf der Seite der Familie Barthelmes. "Sollten die Kosten, vor allem für Herrn Barthelmes, in der angekündigten Höhe auf ihn zukommen, halte ich das für untragbar", so seine Meinung, da die Stadt nach seinem Wissen zuvor mit viel geringeren Kosten kalkuliert und dies auch in ihrem Haushaltsplan verankert habe.

Der 80-jährige Klaus Barthelmes will auf gar keinen Fall den Reitstall aufgeben, der samt Gastronomie eine Institution und Treffpunkt für so viele Menschen in Giesenkirchen und Umgebung geworden ist. Mit einem Funken Hoffnung in der Stimme erklärt er, er habe Mitte November bei Recherchen im Internet zum Thema "Historische Straßen" eine Entdeckung gemacht. Denn "Historische Straßen" werden nicht nach dem KAG abgerechnet, sondern der städtische Haushalt habe dann die Verantwortung. Es bestehe also Aufklärungsbedarf darüber, ob die Konstantinstraße als "Historische Straße" zu betrachten sei. Auch Hajo Siemes recherchiert zum Thema "Historische Straße" und will das Thema im zuständigen städtischen Ausschuss der Stadt, dem Bau- und Planungsausschuss, ansprechen und klären lassen.

Wolfgang Speen, Pressesprecher der Stadt, kann die Sorgen und Nöte von Klaus Barthelmes durchaus nachvollziehen. "Im Falle Barthelmes handelt es sich natürlich um eine sehr breite Straßenfront. Aber wir unterliegen dem Diktat der Kommunalaufsicht und sind dem KAG verpflichtet. Wir handeln nicht nach Willkür, uns sind in dieser Hinsicht die Hände gebunden." Stundungen und Ratenzahlungen seien nach der Abgabenordnung einräumbar, so der Pressesprecher der Stadt. Aber letztendlich könne erst nach der endgültigen Fertigstellung und Schlussabnahme der Straße und nach dem dem Vorliegen des Beitragsentscheides über eine konkrete Summe und Möglichkeiten der Zahlungen diskutiert werden.

Update:

(ik) Hajo Siemes, Fraktionssprecher der Grünen in der Bezirksvertretung MG-Ost, hat sich in der vorletzten Woche der Angelegenheit "KAG (Kommunales Abgabegesetz) im Zusammenhang mit der Erneuerung der Konstantinstraße / Bahner" angenommen. Aufgrund des Unmutes einiger betroffener Anwohner stellte er unter anderem die Frage, ob es sich bei der Konstantinstraße um eine historische Straße handelt. Und wenn ja, was hättet dies dann für Konsequenzen bei der Abrechnung nach dem KAG?

Die Antwort bei der letzten Sitzung des Bau- und Planungsausschusses, beantwortet durch Frank Gauch, Abteilungsleiter des Straßenmanagements, lautete laut Hajo Siemes sinngemäß, so Hajo Siemes:

Bei der Konstantinstraße ginge es um eine grundlegende Erneuerung die umlagepflichtig sei. Deshalb sei es egal, ob es eine historische Straße ist oder nicht. Die tatsächlich abgerechneten Kosten müssten laut KAG und städtischer Beitragssatzung anteilig auf die Anwohner umgelegt werden. Der Anteil entscheide sich je nach Straßentyp. Bei Straßen, die auch Sammelverkehr aufnehmen, wie die Konstantinstraße, sind dies 30 bis 50 Prozent, bei Anliegerstraßen sogar 40 bis 70 Prozent. Dabei unterliegt die Berechnungsgrundlage genauen Kriterien (Grundstücksgröße, Geschossigkeit etc.) und ließe keinen Entscheidungsspielraum zu.

Da in der Vergangenheit unterschiedliche Zahlen in verschiedenen Beratungsvorlagen vorgelegt worden seien (letzter Stand: Kostenschätzung insgesamt 4,2 Millionen Euro), stellte der Fraktionssprecher noch folgende Frage: Wie kommt es zu unterschiedlichen Einschätzungen der Gesamtkosten?

Die sinngemäße Antwort darauf, so der Fraktionssprecher der Grünen, war diese: Von den vermutlichen Gesamtkosten von 4,2 Millionen Euro werden von den Anwohnern 1,7 Millionen Euro zu zahlen sein. Die Haushaltsstellen weisen diesen Betrag nicht aus und dies mit folgender Begründung: Es würden nur grobe Schätzkosten eingestellt, weil noch nicht klar sei, was genau gemacht werden müsse. Erst wenn die Planungen fertig seien, liegen mit Kostenvoranschlägen erste belastbare Zahlen vor. Bei den ersten Vorinformationen an die Bürger handele es sich immer um Zahlen mit "Sicherheitsaufschlag".

Abgerechnet wird erst nach vollkommener Fertigstellung nach den tatsächlich entstandenen Kosten, so die Vorgabe aus Gesetz und Satzung. Mit den Kosten für den Schmutzwasserkanal habe der Anlieger nichts zu tun, da dieser über Gebühren refinanziert wird. Der Regenwasserkanal wird anteilmäßig auf die Anlieger umgelegt. Da die NEW den Regenwasserkanal legen wird und dieses dann der Stadt in Rechnung stellt, könne diese Position in der Haushaltsstelle noch gar nicht berücksichtig werden.

Um in Zukunft dem Unmut der Anlieger aus dem Wege zu gehen, wolle die Verwaltung, solange noch gar keine Planung vorläge, ab jetzt keine Schätzzahlen mehr herausgeben. Punkt.

(StadtSpiegel)