Als man noch Sütterlin schrieb

Als man noch Sütterlin schrieb

Eine Neuauflage von Schulchroniken aus den vergangenen beiden Jahrhunderten - das klingt erst einmal nach staubtrockener Geschichtsarbeit für Historienfanatiker. Blickt man aber mal bewusst in die Schulchroniken, die nun das Stadtarchiv Viersen herausgegeben hat, wird deutlich: Auch Schulgeschichte kann ganz schön spannend sein.

Man schrieb noch mit dem Federhalter, musste sich mit seinem Tischnachbarn ein Tintenfässchen teilen, und wenn man nicht artig war, dann gab es eins mit dem Rohrstock: „Bei den Mädchen auf die Finger, bei uns Jungs auf den Hosenboden“, verrät Kurt Schroeren, der gemeinsam mit Hans Willi Lennertz und Reinhold Hörkens vier neue Schulchroniken transskribiert und nun gemeinsam mit dem Stadtarchiv Viersen veröffentlicht hat. Die Chroniken, die insgesamt die Zeit von 1885 bis 1975 umfassen, beinhalten deutlich mehr als das, was man von einer Schulchronik erwartet.

„Was in den Chroniken zu finden war, hing ganz von der Lust am Schreiben des jeweiligen Rektors ab“, sagt Hans Willi Lennertz. Während der eine nur Gehälter und Personalwechsel notierte, teilte der andere auch Alltagsbeobachtungen mit. So war es beispielsweise in früherer Zeit auch die Aufgabe der Schulrektoren, die Spucknäpfe auf dem Pausenhof zu säubern. „Eine Anekdote erzählt die Geschichte eines Fahzeugs, dessen Insassen von der preußischen Militärpolizei wegen des Verdachts der Spionage untersucht wurden. In einer anderen Passage geht es um einen im ersten Weltkrieg gefallenen Lehrer“, sagt Reinhold Hörkens. So ist es kein Wunder, dass die drei Geschichts-Liebhaber bei ihrer „Übersetzungsarbeit“ oft bis tief in die Nacht von den „Geschichten der Geschichte“ gefesselt waren und gar nicht mehr aufhören konnten, die Schulchroniken zu bearbeiten. Apropos „Übersetzungsarbeit“: „Die Originalschulchroniken, die uns als Grundlage dienten, sind alle handschriftlich und zum großen Teil in Sütterlin verfasst. Da ist es schon ein Vorteil, dass wir die Schrift noch selbst in der Schule gelernt haben“, sagt Kurt Schroeren.

(StadtSpiegel)