Bürgermeister fordern Verzicht

Bürgermeister fordern Verzicht

Die Sozialaufwendungen inklusive Landschaftsumlage werden im kommenden Jahr um mehr als 15 Millionen Euro steigen. Das sprengt den Kreishaushalt. Die Folge: Das Geld will sich der Landrat von den Städten im Rhein-Kreis Neuss holen.

Für die erste Bürgermeisterkonferenz in neuer Besetzung nach den Wahlen im September hätte sich Landrat Hans-Jürgen Petrauschke sicherlich bessere Nachrichten gewünscht. Die Eckdaten zum Kreishaushalt für die Jahre 2016/2017, die Landrat und Kreiskämmerer Ingolf Graul den Bürgermeistern im Jüchener Rathaus präsentierten, aber zeichnen ein düsteres Bild der Finanzlage. Seit Donnerstag vergangener Woche liegt dem Kreis die erste Modellrechnung des Landes vor. Der Referenzzeitraum für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen 2016 endete erst am 30. September 2015. Mit Hochddruck hat die Kreiskämmerei die aktuellen Zahlen in den Haushaltsentwurf eingearbeitet.

Im Mittelpunkt der Bürgermeisterkonferenz im Jüchener Rathaus standen der Entwurf des Kreishaushaltes und die Flüchtlingsunterbringung.
Im Mittelpunkt der Bürgermeisterkonferenz im Jüchener Rathaus standen der Entwurf des Kreishaushaltes und die Flüchtlingsunterbringung. Foto: A. Baum/Rhein-Kreis Neuss

Der Kreishaushalt steht demnach einmal mehr ganz im Zeichen explodierender Sozialaufwendungen bei gleichzeitig massiv rückläufigen Schlüsselzuweisungen des Landes. Die Sozialaufwendungen inklusive Landschaftsumlage werden im kommenden Jahr um mehr als 15 Millionen Euro steigen. Davon gehen 3,4 Millionen Euro auf das Konto für Mehraufwendungen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe sowie je rund eine Million für Pflegewohngeld und Hartz IV. Damit wird bereits mehr als jeder zweite Euro für Sozialleistungen im Kreisetat aufgewendet. Die Rekordsumme von 111 Millionen Euro (plus 8,9 Millionen) Landschaftsumlage muss der Kreis nach derzeitigen Berechnungen im kommenden Jahr an den Landschaftsverband Rheinland abführen. Dies allein entspricht über 40 Prozent der Kreisumlage.

Zwar profitiert der Kreis durch die gestiegene Steuerkraft der Städte und Gemeinden. Die gestiegenen Umlagegrundlagen werden für den Hebesatz der Kreisumlage herangezogen und führen so zu einem Mitnahmeeffekt von 22,2 Millionen Euro. Ernüchternd rechnet Kreiskämmerer Graul jedoch den Bürgermeistern vor: „Die Kreisumlage, die die Kommunen an den Kreis zahlen, werden auch in den nächsten zwei Jahren nicht einmal die Höhe der Ausgaben für die Sozialleistungen abdecken.“ Gerade angesichts der anstehenden Herausforderung der Integration von Flüchtlingen seien weitere wesentliche Entlastungen durch Bund und Land unerlässlich, fordern deshalb Landrat und Kämmerer.

Auch der dramatische Einbruch der Schlüsselzuweisungen nach dem Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) reißt ein riesiges Loch im Kreishaushalt: 9,3 Millionen Euro weniger als im Vorjahr erhält der Kreis vom Land Nordrhein-Westfalen. Graul übt heftige Kritik am GFG-Entwurf des Landes, der weiterhin den bevölkerungsreichen, kreisangehörigen Raum massiv gegenüber den kreisfreien Städten benachteilige. „Viele Millionen Euro werden uns und unseren kreisangehörigen Kommunen durch einen ungerechten Finanzausgleich vorenthalten“, so Graul. Dies wird auch im von der Landesregierung selbst in Auftrag gegebenen FiFo-Gutachten bestätigt.

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Mit einer Reihe von Einsparungen quer durch alle Sparten im Kreisetat haben Landrat und Kreiskämmerer ein höheres Haushaltsdefizit vermieden. Baumaßnahmen sollen zurückgestellt, im Energie- und im Kulturbereich sowie in der Öffentlichkeitsarbeit Einsparungen vorgenommen werden. Auf dem Prüfstand stehen ferner Veranstaltungen, Einrichtungen, Projekte und Standards. Darüber soll der Kreispolitik bis März abschließend beraten.

Der Kreis will sparen: Insgesamt belaufen sich die Verbesserungen aktuell auf rund 1,2 Millionen Euro. Dennoch: Bei gleichem Hebesatz würden 7,5 Millionen Euro an Kreisumlage fehlen, um den Haushalt auszugleichen. Um dies zu erreichen, muss der Hebesatz der Kreisumlage um 1,15 Prozentpunkte auf 40,95 Prozent steigen.

Der vom Kreis als notwendig erachteten Erhöhung der Kreisumlage widersprachen die Bürgermeister in Jüchen. Deren Haltung stellte Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld vor: Der Kreis solle auf die Erhöhung des Hebesatzes verzichten, weitere Sparanstrengungen und eine Aufgabenkritik ohne Tabus vornehmen. Zum Haushaltsausgleich solle der Kreis auch auf seine Ausgleichsrücklage zurückgreifen. Ferner fordern die Bürgermeister, dass der Kreis keinen Doppelhaushalt aufstellt. Der komplette Haushaltsentwurf solle den Städten und Gemeinden rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Petrauschke sicherte den Bürgermeistern zu, bis zur Verabschiedung des Haushaltes im kommenden März weitere Einsparpotential zu untersuchen, um das Haushaltsdefizit noch weiter zu verringern. „In der Summe hat die kommunale Ebene strukturell aber zu wenig Geld, um die Aufgaben, insbesondere bei steigenden Soziallasten, wahrzunehmen“, stellte Petrauschke abschließend fest.

In einem Schreiben hat Landrat Petrauschke auch die Kreistagsfraktionen über die ersten Eckdaten informiert. Am 15. Dezember wird der Haushaltsentwurf in den Kreistag eingebracht. Danach folgt die politische Diskussion in Kreistag und Ausschüssen. Planmäßig wird der Kreishaushalt am 14. März 2016 im Kreistag verabschiedet.

(Report Anzeigenblatt)