Chance am Römerbrunnen

Chance am Römerbrunnen

Im Römerbrunnen möchte niemand gerne wohnen, hört man. Aber immer, wenn die Weltgeschichte kreuz und quer wütet, wird das Wohnviertel zu einem Hoffnungsgebiet. Das galt im Balkankrieg, nach dem Mauerfall und ist auch jetzt nicht anders; ein Besuch.

Tony Trapp, der Mann, der ein bisschen aussieht wie Dieter Kürten, schüttelt einem die Hand. „Sehen Sie“, sagt er lächelnd und zeigt hoch auf die Ecke des gegenüberliegenden Gebäudes, „das ist unser neues Wlan.“ Vor ein paar Tagen haben es die „Freifunker“ eingerichtet und seitdem ist es für die Menschen einfacher, ihre Familie zu kontaktieren. „Das hat uns einmalig 106 Euro gekostet, plus 6 Euro Strom im Jahr.“

Tony Trapp ist ein Weltmeister im Organisieren und die Seele des Flüchtlingstreffs – aber er winkt gleich ab: „Ich muss ein bisschen kürzer treten. Herzklabaster. Aber ich kann delegieren.“ Viele Jahrzehnte hat er die Sozialarbeit am Römerbrunnen geleitet, bis zur Pensionierung vor fünf Jahren. „Vier Jahre hatte ich Spaß und bin mit meiner Frau um die Welt gereist.“ Jetzt hat ihn wieder sein Gemeinschaftssinn gepackt.

Drinnen im Treff, den der Eigentümer Grand City Property kostenlos zur Verfügung stellt: Hinter einer kleinen Trennwand wirbeln kleine Kinder über eine Rutsche. Kleine Plastikbälle rollen über den Boden, der Lärmpegel eines Spielplatzes. Davor plaudern unbeeindruckt an einem langen Tisch Ehrenamtler und Flüchtlinge, jetzt, kurz vor Mittag, vor allem Frauen. „Etwa fünfzehn Ehrenamtler wechseln sich hier in der Betreuung ab.“ Ehemalige Lehrer, ehemalige Sozialarbeiter – aber auch ein pensionierter Bäckermeister. „Einmal in der Woche zeigt er den Kindern, wie man selber backt.“ Immer geht es im Treff auch um Grundsätzliches: Deutsch lernen, vernünftig wohnen. „Die Flüchtlinge haben es hier gut.“ Die Verwaltung hilft, wo sie kann.

Die Zimmer beherbergen ein Feldbett, einen Metallspind, einen Kühlschrank, eine Waschmaschine, einen Tisch und Stühle. „Geschirr müssen sie sich selber kaufen.“ Wenn sie, wie zum Beispiel Mahmoud Almasri (siehe Geschichte auf Seite 1), anerkannt werden, müssen sie sich eine andere Wohnung suchen und damit Platz machen für neue Flüchtlinge.

Viele Menschen verschiedener Nationen leben am Römerbrunnen – was ist mit Konflikten? „In den 2000er Jahren war das schon schlimm, vor allem die Rivalität zwischen Russen und Türken – aber heute? Gibt es keine Animositäten. Hier hat Ausländerhass keine Chance.“

(Report Anzeigenblatt)