Der Ritt in die Kulturerbe-Liste

Der Ritt in die Kulturerbe-Liste

Jeyaratnam Caniceus und René Bongartz möchten, dass die St. Martinstradition im Rheinland teil des immateriellen Kulturerbes wird.

Mit dem Begriff „Weltkulturerbe“ können die meisten Menschen etwas anfangen. Der Aachener Dom oder der Pont du Gard in Südfrankreich gehören dazu. „Meisterwerke menschlicher Schöpferkraft“ steht ganz oben in der Liste der Kriterien, weltbedeutende Stätten, einzigartig und authentisch.

Was aber soll ein „immaterielles Kulturerbe“ sein? Seit 2006 gibt es dieses Unesco-Kulturerbe, Deutschland trat der Unesco-Konvention 2013 bei und ist inzwischen eines von 174 Ländern der Erde. 429 Bräuche sind in der Liste weltweit eingetragen. Während beim Weltkulturerbe der Schwerpunkt eindeutig in Europa liegt, sind es beim immateriellen Kulturerbe bislang vor allem asiatische Staaten, aus denen Sitten und Gebräuche eingetragen sind.

Maria Harnack von der Universität Paderborn – sie ist im Land NRW zuständig für die Bewerbungen um die Aufnahme in die Liste – hat am Freitag im Brachter Bürgersaal vor etwa 200 Ehrenamtlern von Martinsvereinen und Martins-Komitees aus dem gesamten Rheinland erläutert, was nötig ist, um den Sprung in die Kulturerbe-Liste zu bewältigen. Zunächst muss das Brauchtum in eine NRW-Liste eingetragen werden, im nächsten Schritt in ein Bundesverzeichnis. Erst von da aus kann der Brauch den Sprung in die Unesco-Liste des weltweiten immateriellen Kulturerbes schaffen.

Die Genossenschaftsidee hat es – genau wie die Falknerei – bereits in die weltweite Liste geschafft. Auf der bundesweiten Liste stehen der Karneval im Rheinland oder auch die alemannische Fastnacht, die Passionsspiele in Oberammergau und das Schützenwesen.

Wichtig ist, dass es sich um in Deutschland praktizierte und lebendige Traditionen handelt, die offen für jedermann zugänglich sind, von Generation zu Generation weitergegeben werden und einem Wandel unterliegen.

Das alles trifft auf die St. Martins-Tradition im Rheinland zu. Deshalb sind die Organisatoren Jeyaratnam Caniceus aus Kempen und René Bongartz aus Bracht auch optimistisch, was die Chancen auf eine Aufnahme angeht. Beide haben in der Vorbereitungszeit viel über das Martinsbrauchtum gelernt. Eigentlich wollten sie die Bewerbung direkt im Jahr 2013 starten, als das in Deutschland erstmals möglich war. „Aber vielleicht ist es gut, dass es 2017 geworden ist“, sagt René Bongartz. Denn in diesem Jahr feiern die Martinszüge, wie wir sie heute kennen, ihr 150-jähriges Jubiläum. 1867 zog erstmals ein solcher Zug durch Dülken. Eine Besonderheit der Tradition: Sie hat sich in diesen 150 Jahren in fast allen Orten im Rheinland parallel entwickelt. Einen Dachverband der Martinsvereine gibt es nicht. Und trotzdem gibt es – neben lokalen Besonderheiten – eine ähnliche Entwicklung überall. Der reitende Martin – mal als Bischof, mal als Soldat, Kinder mit Laternen, Tüten mit Leckereien und ein großes Feuer, an dem die Szene der Mantelteilung gespielt wird, gehören in allen Orten dazu.

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Am Freitagabend haben die Mitglieder der Martinsvereine Fragebögen zu Ausprägungen in ihren Orten ausgefüllt – welche Lieder werden wo gesungen? Wo ist St. Martin Bischof, wo Soldat? Wie sind die Martinsvereine organisiert?

Wenn die Bewerbung im Oktober auf den Weg gebracht wird, muss sie zwei fachliche Begleitschreiben enthalten, außerdem werden zehn Fotos mit verschiedenen Aspekten der Tradition Teil des Antrags sein. Über 150 Bilder, aus denen ausgewählt wird, stehen bereits auf der Internet-Seite martinstradition.de, über die man selbst auch noch Fotos heraufladen und mit den Initiatoren der Bewerbung in Kontakt treten kann.

(StadtSpiegel)