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Ein bisschen Niki sind wir alle

Ein bisschen Niki sind wir alle

Geplatzte Luftballons bedeuten nicht das Ende kreativer Träume: Eine Erfahrung, die die Künstlerin Sonja Wolf gern weitergibt.

Ein Märchen vorlesen – eine Übung, mit der viele von uns prima klarkommen. Beim freien Vortrag sieht die Sache schon anders aus, und lautet die Aufgabe gar „Jetzt mal fix eins aus dem Ärmel schütteln!“, hört für die meisten der Spaß auf – für Sonja Wolf fängt er erst richtig an: „Märchen erfinde ich ad hoc“, sagt sie. Sie sind der Stoff, aus dem Asade – so nennt sich Sonja Wolf als orientalische Märchenerzählerin – Traumwelten für Kinder wie Erwachsene ersinnt.

„Mit Märchen bin ich aufgewachsen, sie sind Teil meiner Kultur“, erklärt die 52-Jährige kurdischer Abstammung, die ihre fantasievollen Szenarien selber bebildert; ein Band mit Sonja Wolfs illustrierten Märchen erscheint noch in diesem Jahr – und er wird nicht der einzige „Wolf“ bleiben: „Mein autobiografischer Roman ist ebenfalls auf den Weg gebracht“, freut sich die Rheindahlenerin, die derzeit als Vertretungslehrerin an einer Rheydter Grundschule tätig ist.

Künstlerin, Pädagogin, Autorin, Erzählerin: Sonja Wolf lebt ihre Facetten nicht nebeneinander, sondern als Gesamtein- und -ausdruck. Farbenfrohe, seidige Stoffe trägt sie nicht nur zu besonderen Anlässen: „Soll ich, darf ich mich so kleiden...? Das frag’ ich nicht mehr“, blickt sie auf eine Zeit der Unsicherheit zurück. „Heute sage ich mir, du bist so, also – dann strahle es auch aus und steh’ dazu!“, lächelt Sonja Wolf, für die das Ausleben von Dingen dazu gehört – und gern in Gegensatzpaaren daher kommen darf: „Ich interessiere mich für vieles, und alles hat seinen Platz. Kunst wie Kräuter, feines Kochen wie Matschen mit Lehm“, sagt die Naturliebhaberin, deren kreative Begabung einst durch eine Referendarin entdeckt wurde: „Sie hat mich begleitet, mir Bereiche eröffnet wie Design oder Theater.“

Was wirklich wichtig ist, lächelt Sonja Wolf, habe sie dabei verinnerlicht: „Das Dranbleiben.“ Gerade hat sie mit einer 4. Klasse das „Nana-Projekt“ abgeschlosssen. „Ein großes Stück Arbeit, bei dem Erfolgserlebnisse lange Zeit nicht in Sicht waren“, erklärt sie Wochen des Frustes angesichts geplatzter Luftballonbäuche der poppigbunten Geschöpfe, von denen jedes Kind nun sein eigenes besitzt: „Da war Unterstützung meinerseits gefragt... und irgendwann ging’s dann wieder!“, freut sich Sonja Wolf. Die Mädchen und Jungen wissen, dass ihre „Nanas“ weltbekannte Vorbilder haben: „Von Niki de Saint Phalle habe ich ihnen erzählt“, sagt Sonja Wolf. „Auch davon, dass Niki als Kind sehr unglücklich war, weil sie in ein strenges Internat musste. Dass für sie die Kunst Trost und Ausdruck von Gefühlen war“, so Sonja Wolf. „Damit konnten die Kinder eine Menge anfangen“, sagt sie und sinniert: „Ein bisschen Niki sind wir doch alle...“

Mit einer anderen 4. Klasse setzt Sonja Wolf ein Projekt „Textile Techniken“ in die Tat um: „Das wird dann unser verzauberter Märchenteppich!“, freut sich die in vielen Handarbeiten versierte Lehrerin auf den Tag des „Abhebens“. Für ihr eigenes Leben kann sich Sonja Wolf auch noch so allerlei vorstellen: „Weniger Hektik, mehr für meine Kunst da sein können. Mehr in Gemeinschaft leben, vielleicht woanders. Zelte“, überlegt sie lächelnd, „kann man auch woanders aufstellen. Das habe ich in mir – ist wohl Teil meiner Kultur.“

(StadtSpiegel)