„Eine sadistisch-destruktive Tat“

„Eine sadistisch-destruktive Tat“

Wende im Fall Luca: Der Gutachter stuft die Tat als die eines Sadisten ein – und bescheinigt dem Angeklagten, sadistische Züge zu besitzen.

„Habe ich Sie richtig verstanden: Das Leiden des Kindes ist der Genuss des Täters?“, fragt der Vorsitzende Richter Lothar Beckers den psychologischen Gutachter Dr. Martin Albrecht. „Ja, genau“, antwortet dieser.

Ob dieser Täter der Angeklagte Martin S. ist, das muss das Gericht erst noch feststellen. Gestanden hat der Angeklagte die Tat bislang nicht. Bei der Polizei hat er sie bestritten, im Prozess bislang geschwiegen.

Während des Vortrags des Gutachters weicht die Farbe immer mehr aus dem Gesicht von Hendrik Rente, dem Verteidiger von Martin S. Denn das, was der Psychologe vorträgt, geht weit über das hinaus, was er im vorläufigen Gutachten vor Prozessbeginn geschrieben hatte. In das endgültige Gutachten fließt aber auch die Beobachtung des Prozesses ein. Und in den letzten Wochen sei die Einordnung erfolgt, die er jetzt vortrage. Die Tat könne „nichts anderes gewesen sein als eine sadistisch-destruktive Tötungshandlung“, sagt er. Und S. habe Persönlichkeitsmerkmale, die ihn zu einem Sadisten machen könnten.

Zunächst beschreibt Albrecht S., wie er ihn erlebt hat – als eine „scheue, zurückhaltende, ängstlich wirkende Person“ ohne psychopathologische Auffälligkeiten und ohne intellektuelle Minderleistung. Allerdings sei er als Kind schon durch die Diagnose ADHS aufgefallen, sei nach dem Hauptschulabschluss in Ausbildungen gescheitert. Eine große Lebensunzufriedenheit sei „bei Tätern dieser Delikte“ überdurchschnittlich häufig. Emotionale Labilität, Empfindlichkeit, Pessimismus und Selbstabwertung sowie geringe Einsichtsfähigkeit gehörten ebenfalls zu diesem Bild. Spätestens bei dem Angriff mit dem Feuerzeug auf den Rücken des Jungen zeige sich der sadistische Handlungsakt. Das setze sich in den Verletzungen, die am Ende zu Lucas Tod führten, fort.

Während der Rechtsmediziner die Verletzungen beschreibt, die schon offensichtlich an dem kleinen Körper zu sehen waren, und später durch die ergänzt, die man erst von innen sehen konnte, beginnt Mutter Amanda Z. zu weinen und beruhigt sich während seiner gesamten Aussage nicht mehr. Martin S. schaut weiter unverwandt geradeaus. Der Mediziner spricht von Blut im Bauchraum und im Magen, davon, wie später auch Blut in die Lunge gelangt, von Würgemalen, vom Ersticken, aber auch von einem Schädel-Hirn-Trauma und massiven Bauchverletzungen.

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Die Verletzungen seien verschiedenen zeitlichen Abläufen zuzuordnen. Es gebe ältere Verletzungen, die zwischen Tagen und Wochen alt seien – wie der festgestellte Milzriss, der zum Todeszeitpunkt mindestens einen Tag alt gewesen sein müsse. Aber auch zwischen den Verletzungen, die in der Todesnacht entstanden, müssten „mindestens 20 bis 30 Minuten“ liegen, „möglicherweise auch deutlich mehr“, so der Arzt. „Eine Affekttat dauert keine 20 Minuten“, wird später Gutachter Albert ausführen. Es gehe einem Sadisten darum, „den Weg dieser Handlung zu verlängern“.

Vorher hatte eine andere Rechtsmedizinerin erläutert, warum sie bei der Verletzung, die Luca im Januar davon getragen hatte, nicht von einer Sturzverletzung ausgehe, sondern von einer Misshandlung. Ebenfalls zu Wort gekommen war der Psychologe, der für das Familiengericht das Gutachten zur Erziehungsfähigkeit von Amanda Z. erstellt und die Prognose abgegeben hatte, dass Martin S. nicht gefährlich für Luca sei. Richter Lothar Beckers zeigte ihm im Gutachten zwei Aussagen von Martin S. zu diesem angeblichen Sturz auf, die nicht deckungsgleich waren.

Staatsanwalt Stefan Lingens bittet um den rechtlichen Hinweis, das nach dem Gehörten auch eine Verurteilung wegen Mordes mit dem Mordmerkmal der Grausamkeit infrage komme. Seine ursprüngliche Anklage hatte auf Mord gelautet, diese war aber von der Kammer nicht zugelassen worden, deshalb wird bislang wegen Totschlags verhandelt. Außerdem bat Lingens um die Überprüfung, ob eine besondere Schwere der Schuld in Betracht komme. Stellt ein Gericht in einem Urteil die besondere Schwere der Schuld fest, dann ist eine vorzeitige Entlassung ausgeschlossen. Möglicherweise könnte es auch noch um sehr viel mehr gehen. Denn Gutachter Albrecht stellt – immer vorausgesetzt, S. sei der Täter – eine sehr ungünstige Prognose. Er schätze eine Wiederholungsgefahr als relativ hoch ein, erklärt er auf Nachfrage des Staatsanwalts.

(StadtSpiegel)