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Ich sammle nicht, ich finde

Ich sammle nicht, ich finde

Inge Broska hat in ihrem Wohnhaus in Hochneukirch ein Hausmuseum eingerichtet. Das ehemalige Pfarrhaus im Jugendstil des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts ist ein einzigartiges Gesamtkunstwerk aus Kunst und Alltagsgegenständen, die vorwiegend aus den Abrissdörfern des Tagebaus stammen.

„Inge, loss merr noch enns laache“, habe ihre Nachbarin in Alt-Otzenrath immer zu ihr gesagt, wenn sie gemeinsam auf ihrem „Dörpel“ vor der Eingangstüre ihres Elternhauses saßen, erzählt Inge Broska. „Außer uns beiden wohnte im Unterdorf schon niemand mehr“, erklärt sie und fährt fort: „Die alte Dame kam abends immer zu mir und weinte; es tut mir jetzt noch weh.“ Dann habe sie in ihrer Verzweiflung „loss merr noch enns laache“ gesagt und so laut gelacht, dass es durch das ganze leere Dorf schallte. „Kurz nach ihrem Umzug in den neuen Ort Otzenrath ist sie gestorben, wie so manch’ ältere Leute, die es nicht verwinden konnten, aus ihrem Heimatdorf weg zu müssen“, erinnert sich Inge Broska.

Die Künstlerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, alles zu bewahren, was die verschwundenen Tagebau-Dörfer ausmachte, ihre Geschichten, ihren Dialekt, alte Foto- und Tondokumente und jede Menge Alltagsgegenstände, mit denen in Küche, Haus und Garten gearbeitet wurde. „Dabei sammele ich gar nicht, sondern ich finde“, betont Inge Broska. Ihre Fundstücke von den Müll-Containern der aufgelösten Haushalte stellt sie mit zumeist selbst geschaffenen Kunstobjekten in ihren eigenen vier Wänden aus und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Vom Scherbenmuseum im Keller bis zur Foto-Galerie in der obersten Etage, sogar bis in den Garten, wo die „Jötschklompe“ (Eimer mit langem Stiel zur Leerung der Jauchegrube) und ein paar „Herzchentüren“ stehen, dehnt sich ihr Hausmuseum aus. Kunst und Alltag gehöre für sie unteilbar zusammen, betont die 75-Jährige.

Um das Jahr 1992, als Alt-Otzenrath nach und nach ausstarb und die Wegziehenden ihre Werkzeuge, Küchengeräte und alle möglichen Utensilien zurückließen, begann die Künstlerin mit dem Aufbau des Museums in ihrem Elternhaus; 2006 zog sie mit ihren Ausstellungsstücken in den Nachbarort Hochneukirch, der vom Tagebau verschont ist.

Inge Broska bekam 2013 vom LVR den Rheinlandtaler verliehen. In ihrem Arbeitsleben war die gelernte Bautechnikerin im Frauenmuseum Bonn als Museumskoordinatorin und Museumspädagogin tätig.

Ihr großer Wunsch ist, dass sich zur richtigen Zeit Nachfolger für ihr Museum finden, die ihre Kunst und die Erinnerung an ihre Tagebau-Dörfer noch lange lebendig halten.

(Report Anzeigenblatt)