In die Gegenwart locken

In die Gegenwart locken

"Totschießen will ich nicht sehen. Das will ich ganz weit weg schieben, denn das habe ich als Kind schon mitgemacht," sagt Käthe, 76 Jahre alt, alias Ingelein. Ein Besuch in der AWO-Tagesstätte auf der Schloss-Dyck-Straße.

Giesenkirchen. Jeden Dienstag, zwischen 15 und 19 Uhr, trifft sich in der Tagesstätte der AWO auf der Schloss-Dyck-Straße die ältere Generation. Es gibt Kaffee, Kuchen und Getränke nach Wahl. Drei Tische sind besetzt. Eine Herren- und eine Damenrunde, am dritten Tisch wird von vier Damen eifrig gezockt.
Was denkt und fühlt die Ü70-Generation bei den derzeitigen Nachrichten der Tagesschau? Inge Kropp, 80 Jahre alt, fällt spontan der Tod von Siegfried Lenz ein, der sie sehr beeindruckt hat. Gelesen hatte sie mal etwas von ihm, "aber das ist schon ziemlich lange her". In lebendiger Erinnerung ist ihr der 11. September 2001. "Diese zwei Türme in New York. Ja, die Twin Towers. Ich habe damals gedacht, wie kann man um diese Uhrzeit so einen grausamen Film zeigen. Bis ich erst mal gemerkt habe, dass dies gerade wirklich passiert." Inge Kropp schaut nicht regelmäßig die Nachrichten. "Ich lass mir meinen Kopf vor der Nacht nicht mit solchen Dingen vollstopfen", gibt sie ehrlich zu. Leicht ist es nicht, die Damen in die Gegenwart zu locken. Freiwillig erzählen sie nicht gerne über aktuelle Schreckensnachrichten.

Freiwillig erzählen sie nicht gerne über aktuelle Schreckensnachrichten. Auf die Frage nach ihrer Besorgnis über Ebola, sagt Ingelein: "Auch wenn die Politiker immer sagen, das könnte uns nicht passieren: Wieso passiert es denn dann in anderen Ländern? Und warum müssen die immer über alles so lange beraten?" Aber sie habe nicht wirklich Angst vor Ebola. Sie hätten ja allesamt mit genug anderen Krankheiten zu tun. Die Herrenrunde äußert sich konkreter zu Ebola. "Meiner Meinung nach muss bei einer Sache wie Ebola die ganze Welt zusammenhalten. Da muss Solidarität gezeigt werden und darf nicht gespart werden", sagt Willi, 88 Jahre alt. Ein Thema scheint die Damenrunde sehr zu interessieren. Sie könnten einfach nicht glauben, das Eizellen eingefroren werden können, um zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel nach der Karriere, erst ein Kind zu bekommen. Ingelein hatte dies bei einer Sendung mit Ranga Yogeshwar gehört und konnte es nicht glauben. Dann ist es Zeit für einen Witz von Ingelein. Die Damenrunde lacht herzlich. Die Herrenrunde äußert sich über das Fiasko in Köln. "Unsere Justiz ist das Letzte. Nachher geht alles drunter und drüber und unsere Polizisten sollen hinhalten und dürfen sich nicht wehren gegen solche Rabauken. Jeden Gegenstand nehmen die in die Hand und richten bei armen Leuten Schaden an." Zum Thema Politiker haben Willi, Matthias und Peter auch ihre Standpunkte. "Der Schmidt hat sehr viel für uns getan, ohne den wäre 1962 Hamburg abgesoffen! Und Kohl hat unsere Polster verbraucht, unser 'Tafelsilber' verkauft, so sagt man doch!"
Ingelein am anderen Tisch erzählt einen Witz passend zum Thema Politikerpersönlichkeiten: Stoiber will sich ein Bild über die Lage der Bauern vor Ort verschaffen und besucht einen Schweinemasthof. Beim Erscheinen einer Reportage zu diesem Thema sieht man auf dem Foto Stoiber mit den Schweinen im Stall. Die Bildunterschrift lautete: Stoiber. Dritter von links. Es wird wieder herzlich gelacht.