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Meerbuscher Aktionskreis rettet Amphibien vor Gefahren des Verkehrs

Aktionskreis zur Wanderungszeit als „Kröttenretter“ aktiv : Im Einsatz für Kröte & Co.

Im Bereich des Waldgebiets Meererbusch lebt eine der größten Erdkrötenpopulationen in NRW. Diese – wie auch andere Amphibien in dem Gebiet – zu schützen, hat sich der Meerbuscher Aktionskreis für Tierrechte und Naturschutz auf seine Fahnen geschrieben. Regelmäßig zur Amphibienwanderungszeit bewahrt er viele der Tiere davor, auf dem Weg zu den Laichgewässern überfahren zu werden. Redakteur Thomas Hippel begleitete die „Kröttenretter“ jetzt einen Abend lang.

Wenn die Sonne untergeht und die meisten Menschen es sich gerade daheim auf der Couch gemütlich gemacht haben, dann ist für die Tierschützer erst „Schichtbeginn“. Kein Wunder, sind doch auch die Amphibien mit Einsetzen der Dunkelheit am aktivsten. Das Unterfangen der „Krötenretter“, den Tieren beim Übersetzen vom Meererbusch zu den nahegelegenen Baggerseen – und beim Weg zurück – zu helfen und sie so vor den Gefahren des Verkehrs zu schützen, ist aber nicht durch die Dunkelheit ein anspruchsvolles. Auch die Größe des Einsatzbereiches hat es in sich, erstreckt sich dieser doch von der Kreuzung Am Berg/Bovert die ganze Straße Am Berg/Broicherseite hinunter bis zur L30 – das macht 2 100 Meter Straße, auf denen überall mit Wanderungsbewegungen zu rechnen ist.

Elke Mertens, die den Meerbuscher Aktionskreis für Tierrechte und Naturschutz 2018 gemeinsam mit ihren Kindern Jessica und Fabian gegründet hat, hatte das Thema „Amphibienrettung“, auch wenn sie seit vielen Jahren im Tierschutz aktiv ist, ursprünglich gar nicht auf ihrer Agenda. Nachdem Sohn Fabian sie auf die Vielzahl überfahrener Kröten und Frösche auf der Straße Am Berg/Broicherseite aufmerksam gemacht hatte, wollte sie sich aber selbst ein Bild machen und zeigte sich schockiert ob der Situation vor Ort. Damals begann das Engagement der Familie Mertens, seitdem geht es jedes Jahr zur Wanderungszeit der Amphibien mit Eimer und Taschenlampe ausgestattet auf Rettungseinsatz: Tiere finden, von der Straße holen, in den Eimer setzen und an geeigneter Stelle aussetzen – immer wieder dasselbe Prozedere.

Mit Taschenlampe und Eimer ausgerüstet ist Elke Mertens auch an diesem Abend, als wir an der Kreuzung Am Berg/Bovert zum Krötenrettungseinsatz verabredet sind. „Damals bei der Premiere in 2018 waren wir noch zu dritt, also meine Kinder und ich, während mein Mann für die technische Ausstattung gesorgt hat“, berichtet die Tierschützerin. Ein Jahr später habe sich die Gruppe aber – nach einem Aufruf in einem Zeitungsartikel – schon beträchtlich vergrößert. Zeitweise kamen Krötenretter sogar aus Köln oder Düsseldorf , erzählt Elke Mertens, und es habe sich schnell ein Stamm von festen, regelmäßigen Helferinnen und Helfern herausgebildet. Aktuell umfasst die Gruppe 25 Mitglieder, überwiegend aus Meerbusch, die regelmäßig im Einsatz sind – mal in größerer, mal in kleiner Zahl, je nachdem, wie stark gerade die Wanderungsströme der Amphibien sind.

An diesem Abend ist der Trupp der Krötenretter mit zweien recht überschaubar. Der zweite Helfer im Bunde ist Elke Mertens‘ Sohn Fabian, der zu Beginn des Einsatzes an einem anderen Abschnitt der Strecke nach Tieren Ausschau hält. „Da es die vergangenen Tage nicht geregnet hat, sind aktuell nicht viele Amphibien unterwegs“, erklärt die Tierschützerin. Bei entsprechender Witterungslage habe man aber auch schon mal 1 200 Erdkröten an einem einzigen Abend gesammelt. Gerade in Zeiten, in denen die Wanderungsbewegungen sehr stark sind, könnten sich die Einsätze der Krötenretter hin und wieder von der Dämmerung bis spät in die Nacht ziehen, weiß Elke Mertens zu berichten. Ist das Wetter hingegen so wie heute, dann braucht es nur eine kleine Besetzung und es ist früher Feierabend.

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Darüber, welche und wie viele Tiere vom Aktionskreis in jedem Jahr aufgesammelt werden, führen Elke Mertens und ihre Mitstreiter genaue Aufzeichnungen. Allein an Erdkröten, die sich auf der Hinwanderung zu den Laichgewässern befanden, wurden in den vergangenen drei Jahren immer über 5 000, in der Spitze sogar 7 500 Exemplare gezählt. Arno Geiger, renommierter Amphibienexperte des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, bescheinigte dem Aktionskreis auf Grundlage dieser Zahlen im vergangenen Jahr, dass es sich bei der Population im Meererbusch um eine der größten Erdkrötenopulationen in NRW handele, die zudem besonders schützenswert sei.

Vor dem Hintergrund einer solchen Einschätzung könnte man meinen, dass der Einsatz der Meerbuscher Krötenretter nur positives Feedback hervorruft. Tatsächlich käme die Gruppe auch oft mit Menschen in Kontakt, die „das, was wir hier machen, echt gut finden“, so Elke Mertens. Sie weiß aber auch von Aggressionen zu berichten, die ihnen speziell von Autofahrern öfter mal entgegengebracht würden. Noch immer missachten nämlich viele von ihnen das ganzjährige beidseitige Durchfahrtsverbot (Ausnahme Landwirtschafts- und Radverkehr) zwischen der Kreuzung Am Berg/Bovert und der 200 Meter weiter südlich gelegenen Stadtgrenze zu Kaarst, an der die Straße Am Berg zur Broicherseite wird. Diese Strecke ist eine beliebte Abkürzung zur L30. Und anscheinend reagiert nicht jeder der ertappten Autofahrer einsichtig, wenn er von den Krötenrettern auf sein Verfehlen hingewiesen wird.

Gerade als Elke Mertens die Gefahr schildert, die der Autoverkehr nicht nur für Erdkröten, Molche und Frösche, sondern auch für andere heimische Tierarten darstellt, fährt wieder ein Fahrzeug an uns vorbei, das Durchfahrtsverbot ignorierend– es wird nicht das letzte an diesem Abend sein. Die Tierschützerin erfasst Kennzeichen, Fahrzeug- und Fahrerbeschreibung als Sprachmemo, so wie sie es in solchen Fällen immer tut. Die Verstöße werden von ihr allesamt zur Anzeige gebracht, sagt sie. Die Ignoranz, mit der hier das Leben von Tieren gefährdet werde, ärgere sie maßlos.

Nachdem wir einige hundert Meter gegangen sind, erblickt Elke Mertens auf der Straße – wie zum Beweis ihrer vorherigen Ausführungen – plötzlich eine überfahrene Zauneidechse. „So etwas macht mich wirklich betroffen“, sagt sie, während sie das tote Tier, das unter sehr strengem Artenschutz steht, betrachtet. Um derartige Vorfälle zu reduzieren, fordert sie von der Stadt Meerbusch schon seit längerem, dass diese an der Kreuzung Am Berg/Bovert für den gesamten Zeitraum der Amphibienwanderung – also letztlich von Januar/Februar bis Ende Oktober – eine Absperrbake aufstellt, um das bestehende Durchfahrtsverbot noch einmal zu unterstreichen. Bislang wird dort zwar auch regelmäßig eine Bake aufgestellt. Die Aufstellung erfolge aber, obwohl es sich um Meerbuscher Stadtgebiet handelt, durch die Stadt Kaarst, die die Bake zudem auch wieder entferne, sobald die Zeit der Erdkrötenwanderung vorbei ist. In der Regel sei dies im Mai im Fall, sagt Elke Mertens. Bis zu dieser Zeit sei auch die Kaarster NABU-Grupe auf der Strecke aktiv und sammele Erdkröten an den von ihr aufgestellten Krötenzäunen. „Da sich allerdings die Wanderungszeit vieler Frösche und anderer Arten noch bis Oktober hinzieht und wir vom Aktionskreis auch noch bis zum Ende der Wanderungszeit in dem Bereich unterwegs sind, muss dort länger eine Bake aufgestellt sein.“

Von der Stadt zeigt sich Elke Mertens hier enttäuscht, wurde doch im Ausschuss für Klima, Bau und Umwelt ein entsprechender Antrag im Jahr 2021 abgelehnt. „Eigentlich sollte es ja kein Problem für die Stadt sein, hier eine entsprechende Teilabsperrung aufzustellen, aber offenbar ist das nicht gewollt“, ärgert sie sich. Aufgeben will sie dennoch nicht und sich stattdessen an weitere Instanzen wenden.

Als es schon richtig dunkel ist, treffen wir dann auch noch Elke Mertens‘ Sohn Fabian, der uns in neongelber Warnjacke entgegenkommt. Auch er weiß nur zu genau um das Spannungsfeld zwischen Autofahrern, Behörden und so manchem Gegner des Durchfahrtsverbots unter den Anwohnern, in dem sich die Tierschützer bewegen. Dennoch ist auch er mit großer Hingabe dabei, wenn es darum geht, Kröten, Fröschen und Co. eine sichere Reise zwischen Wald- und Laichgebiet zu gewährleisten. Der 26-Jähriges ist es dann auch, der an diesem Abend die einzige Kröte entdeckt, die unseren Weg kreuzt: ein Erdkröten-Weibchen auf dem Rückweg vom Baggersee in den Wald. „Man erkennt sofort, wenn man über den Bauch fühlt, dass sie gerade vom Ablaichen kommt“, sagt der junge Mann, ehe er die Rückläuferin von der gefährlichen Straße aufnimmt und sie in die Sicherheit des Eimers übergibt – wieder ein Krötenleben gerettet.