Mit einem Schlag selbstbewusster

Mit einem Schlag selbstbewusster

Boxen — viele denken bei dem Sport erstmal an starke Männer. Dass auch Frauen dabei nicht nur körperlich, sondern auch mental stark werden können, zeigt das "Frauen-Fitnessboxen". Unsere Redakteurin Gina Dollen hat den Sport einmal ausprobiert.

"Das wird etwas ganz anderes als das, was Sie bisher kennen", prophezeit mir Robert Fuhr am Telefon. Gerade machen wir einen Termin zum "Frauen-Fitnessboxen" aus. Sprich: boxen, ohne dabei in den Ring zu steigen, gepaart mit hochintensivem Intervalltraining, so genanntem "HIIT". Hier geht es nicht darum zu kämpfen. Es geht um Gesundheit, die eigene Fitness — und, wie ich später feststellen werde, um mentale Stärke und Selbstbewusstsein. Naja, ein bisschen gekämpft wird schon. Jedoch nicht mit dem Gegenüber, sondern mit dem inneren Schweinehund. Soviel sei jetzt schon verraten: Bei diesem Training verliert er.

Beim Fitness-Frauenboxen ist Redakteurin Gina Dollen ganz schön ins Schwitzen gekommen.
Beim Fitness-Frauenboxen ist Redakteurin Gina Dollen ganz schön ins Schwitzen gekommen. Foto: Andreas Baum

Obwohl ich im Alltag viel Sport mache, packe ich ein paar Tage später mit gemischten Gefühlen meine Sporttasche. Ob ich der Sache gewachsen bin? Schließlich sind Boxer doch immer diese riesigen Kerle, mit Oberarmen wie meine rechte Körperhälfte und einem rechten Haken, der mich wahrscheinlich mit einem Schlag nach Timbuktu transportieren würden. Mit der Melodie von "Eye of the Tiger" und einer großen Portion Neugier und Motivation fahre ich los.

Beim "Cogito Meum" Club in Rheydt angekommen, treffe ich nicht auf einen verrauchten Boxclub, mit einem großen Ring in der Mitte und mindestens einer blutigen Nase. Stattdessen laufe ich durch ein gutes Dutzend, im Kreis hängender Boxsäcke zur Umkleide, vorbei an Gewichten, Kettlebells und extrem freundlichen Gesichtern, die mich begrüßen, als würde ich hier tagtäglich ein und aus gehen. Auch Trainer Robert Fuhr begrüßt mich mit einem Lächeln und erklärt mir vorab die wichtigsten Dinge. "Erstmal sagen wir hier du, ich bin der Robert", sagt er und langsam fühle ich mich, als sei ich unter Freunden statt unter Fremden. Dann zeigt er mir den Gruß, ohne den hier kein Training beginnt. "Egal ob du kommst, gehst, dir schlecht ist oder du etwas trinken musst, vorher machst du immer diesen Gruß", erklärt er, während ich eine Art Schutzhandschuh aus Stoff über meine Hände stülpe.

Wenig später stehen wir alle, sowohl Frauen als auch Männer, mit Boxhandschuhen in einer Reihe, klopfen mit der Hand auf die rechte Brust und führen sie zu einer Art Wink-Bewegung nach vorne. "Okay und lauft", erklingt Robert Fuhrs Stimme in meinem Ohr, jetzt deutlich lauter und bestimmter. "Nicht spazieren, laufen", ruft er im leichten Kasernenton und spornt uns von Minute eins zu Höchstleistungen an. Okay, das wird kein Spaziergang.

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Nach der ersten Runde Kniebeugen geht es dann an den heutigen Gegner: den Boxsack. Mit voller Kraft hole ich zum ersten Schlag aus und — es passiert nichts. Schwer und groß hängt der Boxsack vor mir, wenig beeindruckt von meinem "rechten Haken". Im Fernsehen sieht das immer so leicht aus, da fliegt der Boxsack wie von Zauberhand nach vorne. Fuhr erklärt mir, wie ich es richtig mache. Zuerst: anders hinstellen. Die Beine etwas auseinander, eines leicht nach außen gedreht nach hinten. "Die Fäuste nach oben und immer an die Deckung denken", erklärt er. Sobald ich schlage, soll sich meine hintere Ferse mitbewegen. Dadurch habe ich einen sicheren Stand und kann schneller reagieren. Das bedarf erstmal etwas Koordination. Ganz gerade nach vorne soll der nächste Schlag gehen, den Arm komplett ausgestreckt. "Und geh mit dem Oberkörper mit, hol dir daraus die Kraft, nicht aus dem Arm", sagt der Trainer — und dann setzt sich der Boxsack doch tatsächlich in Bewegung.

Während der Übungen lässt Robert Fuhr uns keine Minute aus den Augen. Er korrigiert, sobald es nötig ist und motiviert jeden, der gerade dabei ist aufzugeben, noch mal alles rauszuholen. Das bedeutet nicht nur, sich körperlich so anzustrengen, wie ich es vorher nicht für möglich gehalten hätte, sondern auch mental stark zu sein. Durch die eigene Willenskraft weiter zu machen.

Als ich noch damit beschäftigt bin, hinter dem mittlerweile in Wallung gekommenen Boxsack her zu hüpfen, ertönt wieder ein lautes "Und Zeit, lauft" in meinem Ohr. Nach zwei Runden stehen dann Liegestütze an, bevor es zur nächsten Übung an den Boxsack geht. Puh, das ist also "HIIT".

Durch dieses intensive Training ohne Pause kann man hier in einer Stunde 1.000 bis 1.500 Kalorien verbrennen. Der sogenannte "Nachbrenn-Effekt" sorgt dann noch mal bis zu zwei Tage danach täglich für 400 bis 600 verbrannte Kalorien. Na, wenn das mal nicht die Bikinifigur zum Vorschein bringt. Sowieso wird durch das Boxen der gesamte Körper trainiert. Dadurch, dass es nicht um das sogenannte "Sparring", den Kampf im Ring geht, werden Verletzungen jedoch vermieden.

"Denk an den letzten blöden Spruch den dir jemand gesagt hat, an einen Streit oder jemanden, der fies zu dir war", sagt Fuhr neben mir. Ohne, dass ich es wirklich merke, schlage ich fester zu, immer schneller, bis sich klammheimlich ein Lächeln auf meinem Gesicht breitmacht. Ich fühle mich stark, selbstbewusst, als könnte mir nichts und niemand etwas anhaben. All die Alltags-Wehwehchen, der Stress und die Probleme erscheinen mir viel kleiner.

Bei der nächsten Lauf-Runde muss ich mich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Eine Mitstreiterin läuft lächelnd an mir vorbei: "Komm, das schaffst du, einfach weitermachen". Motiviert lege ich an Tempo zu und gebe auch in den letzten Minuten alles, was an Kraft noch da ist.

Als ich nach dem Training in der Badewanne mit Meersalz sitze, das mir Robert Fuhr gegen den Muskelkater mitgegeben hat, merke ich, wie Muskeln anfangen zu schmerzen, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Je nach Bewegung zittern meine Beine und die Bauchmuskeln, als würden sie mir sagen wollen: jetzt erstmal Pause. Obwohl ich kaum noch meine Arme nach oben bewegen kann, bin ich so ruhig und zufrieden wie selten in letzter Zeit — und ich bin mir sicher: nächste Woche werde ich wieder vor dem Boxsack stehen und alles aus mir herausholen.

(Report Anzeigenblatt)