Das Intranet des Körpers

Die Faszienbehandlung kann chronische Schmerzen bekämpfen und damit ein Baustein in der Therapie von Schmerzpatienten sein. Die Wichtigkeit der Faszien ist lange Zeit übersehen worden.

Schmerzen zeigen sich nicht immer dort, wo sie ihre Ursache haben. Manchmal tun die Füße weh, obwohl die Ursache im Rücken liegt. Manchmal quälen Kopfschmerzen, aber sie rühren von einer Fehlstatik her. Schmerz, so sagen die Amerikaner, sei ein großer Lügner. Die Schmerzen treten an anderer Stelle auf, weil der Körper ein hochkomplexes System ist, das sich selbst reguliert. Der Körper versucht stets, Probleme zu kompensieren. Erst wenn die Selbstregulation nicht mehr funktioniert, treten Schmerzen auf, aber eben nicht unbedingt dort, wo ihre Ursache zu suchen ist.

Ein Beispiel: Seit Jahren leidet Johannes S. unter chronischen Kopfschmerzen und Schwindel. Die Schmerzen sind so stark, dass er berufsunfähig ist. Da kein Arzt einen physischen Grund für die Symptome findet, wird er schnell als Simulant eingeordnet. Aber er leidet weiter. „Ich habe ihn mir angeschaut und mir fiel seine Haltung auf“, erklärt Alexej-Jian Zahedi, Orthopäde und Osteopath im Albertuszentrum. „Bei der Untersuchung habe ich eine große Spannung im Oberbauch festgestellt.“ Es stellt sich heraus, dass es bei diesem Patienten vor Jahren nach einer Gallenblasen-OP zu Komplikationen kam. Deshalb habe sich der Körper zusammengezogen, alles habe sich verkürzt. Nachdem Zwerchfell und Oberbauch behandelt wurden, konnte der Patient den Nacken besser bewegen, dann folgte Massage, um die verkürzten Stränge zu lockern.„Es ist so gelungen, die Statik positiv zu beeinflussen“, sagt Zahedi. „Die Vernarbung bleibt, aber der Patient lernt durch anschließendes individuelles Training, besser damit umzugehen.“

Eine Faszienbehandlung kann in solchen Fällen also sehr hilfreich sein. Aber was sind Faszien eigentlich? Faszien umhüllen Knochen, Muskeln und Organe. Sie halten alles zusammen, geben Form und Stabilität. Aber sie tun noch viel mehr. Wie viel mehr, das beginnt die Medizin erst zu verstehen. „Eine Faszie besteht aus Nervenstrukturen“, erklärt Orthopäde Dr. Joseph Heussen. „Man hat unter dem Einfluss der traditionellen chinesischen Medizin lange vergeblich nach den Meridianen des Körpers gesucht. Untersuchungen zeigen nun, dass Faszien solche Funktionen haben könnten.“ Faszien seien das Intranet des Körpers, meint der Orthopäde.

Vor allem bei immer wiederkehrenden Problemen ist es sinnvoll, die Faszien in den Blick zu nehmen. „Es kann an Störungen in der Mikrozirkulation liegen, es kann sich um Abflussstörungen, Stoffwechselstörungen oder um Spannungen handeln“, sagt Zahedi. „Der Patient muss von Kopf bis Fuß untersucht und die Bewegungen analysiert werden.“ Dazu benötige man einen geschulten Blick und eine geschulte Hand.

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Aber: „Die Faszienbehandlung ist keine Wunderheilung“, betont der Orthopäde und Osteopath. „Es ist ein wichtiges Störfeld, das erkannt werden muss, aber dann bedarf es einer weiterführenden Behandlung.“ Faszientraining allein lösten die Probleme auf Dauer nicht. Faszienbehandlung sei ein Baustein einer Therapie, unterstreicht auch Heussen. „Aber sie muss in den Gesamtkontext eingebunden werden. Mit einem Ansatz wird man auf Dauer niemals Erfolg haben.“ Im Allgemeinen sei immer auch der Patient selbst gefordert, der häufig seinen Lebensstil umstellen und seine Gewohnheiten ändern müsse. Dennoch: mit den Faszien ist ein Teil des körpereigenen Systems, dessen Funktion lange Zeit übersehen wurde und mit dem sich neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen.

(Report Anzeigenblatt)