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Kolumne Recht: Eindämmen vs. Lockern: Das Dilemma, in dem wir stecken

Kolumne Recht : Eindämmen vs. Lockern: Das Dilemma, in dem wir stecken

Diese Woche ist ein neuer Bußgeldkatalog in Kraft getreten. Und dieser hat nichts mit Corona zu tun. Sondern mit dem Straßenverkehr. Zu schnelles Fahren wird teurer. Innerorts ab 16 km/h 70 Euro (bisher 35). Ab 21 km/h 80 Euro plus ein Punkt und ein Monat Fahrverbot. Parken in zweiter Reihe oder auf einem Radweg: 55 Euro (bisher mindestens 15). Viel Beachtung gefunden haben die neuen Sanktionen in der medialen Berichterstattung nicht. Zu übermächtig ist das alles beherrschende Thema Corona.

Seit dieser Woche müssen wir Mundschutz tragen. „Müssen“ trifft es allerdings nicht ganz. In der Coronaschutzverordnung NRW steht geschrieben:

„Jede in die Grundregeln des Infektionsschutzes einsichtsfähige Person ist verpflichtet, sich im öffentlichen Raum so zu verhalten, dass sie sich und andere keinen vermeidbaren Infektionsgefahren aussetzt. (…) insbesondere 1,5 Meter Mindestabstand (…).

Wenn die Einhaltung eines Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist, wird das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch) empfohlen.“

Von einer Maskenpflicht kann in NRW also nicht die Rede sein. Und wer nicht einsieht, dass er sich die Hände waschen sollte, muss dies auch nicht. Die schüchterne Formulierung in § 12a CoronaSchVO NRW zeigt das Dilemma, in dem wir stecken. Die Regierung versucht den Spagat zu schaffen zwischen Eindämmung und Kontrolle der Corona-Pandemie und der Lockerung der Eingriffe in unsere Grundrechte.

Der Präsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Schäuble hat die Tage ausgesprochen, was sich bisher niemand getraut hatte, auszusprechen: Das Grundrecht auf Leben steht nicht über den anderen Grundrechten. Auch der Schutz der Menschenwürde schließe nicht aus, „dass wir sterben müssen“. Diese Aussagen sind korrekt. Sie sind aber kein Argument gegen die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus. Schäuble lieferte auch kein Argument für die Lockerung der Maßnahmen. Er hat lediglich gesagt, dass bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme sämtliche von ihr betroffenen Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssen. Das machen die Bundesregierung und die Landesregierungen seit Beginn der Krise. Sie wägen ab: Würde, Gesundheit, Gleichheit, Freiheit, Religionsfreiheit, Freiheit im Allgemeinen, Berufsfreiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Letztendlich geht es um die Verhältnismäßigkeit. Eine Maßnahme muss erforderlich, geeignet und angemessen sein, zur Erreichung ihres Ziels. Für Interessierte darf ich an dieser Stelle auf meine Kolumne vom 22. April verweisen.

  • Der Kreis hat einen aktualisierten Bericht
    Corona-Pandemie im Kreis Viersen : Sterblichkeit deutlich zurückgegangen
  • Um die Stadtwerke in der Gaskrise
    Zur Unterstützung der Stadtwerke : SPD Willich fordert Rettungsschirm
  • Dr. Martin Lüchtrath, Dr. Ingo Kern,
    In den Kinderarztpraxen wird jetzt geimpft : RS-Virus auf dem Vormarsch

Welche Maßnahmen hilfreich zur Eindämmung der Pandemie waren, werden wir höchstens im Nachhinein wissen. Die Absage des Karnevals 2021 wird auf weniger Gegenwehr stoßen, als das bei einer Absage des Karnevals in diesem Jahr der Fall gewesen wäre.

Mittlerweile beschäftigt sich auch die Justiz mit der Rechtmäßigkeit der Coronamaßnahmen. Ein Gericht hat das Öffnungsverbot für Läden mit einer Fläche größer als 800 Quadratmeter gekippt. In einem anderen Bundesland wurde es für rechtswidrig erklärt, dass Viertklässer wieder in die Schule müssen. In einem dritten Bundesland wurde das Verbot einer Versammlung für rechtswidrig erachtet. Alles Einzelfallentscheidungen, welche insbesondere über die Bundeslandgrenzen hinaus keine Wirkung entfalten. Der Föderalismus macht es nicht leichter, den Durchblick zu behalten.

Und noch eine Gerichtsentscheidung sorgte für Aufsehen. Nach fünfjähriger Verfahrensdauer wurde in der Schweiz das Strafverfahren gegen die ehemaligen Präsidenten des DFB Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger eingestellt. Der Vorwurf lautete Betrug im Zusammenhang mit einer 6,7 Millionen Euro Zahlung des DFB an die Fifa. Der Prozess musste wegen Corona zunächst bis zum 20. April und dann bis zum 27. April, dem Tag des Eintritts der Verjährung, unterbrochen werden.

Jan Lampe

Fachanwalt für Steuerrecht und zertifizierter Berater Steuerstrafrecht (DAA),

Partner der Kanzlei Hollender Lampe Lampe in Mönchengladbach