: „Ich wollte verstehen“

Stahltore, Betonmauern, Wachtürme: Gefängnisse halten nicht nur die Inhaftierten von der Flucht ab, sondern schließen auch ihre persönlichen Geschichten sicher ein. Die Mönchengladbacher Moderatorin und Abenteurerin Lena Sapper war für FYEO, die neue kostenlose Audio- und Podcast-App von ProSiebenSat.1, hinter Gittern und hat sich dort umgehört. Entstanden ist die Audio-Dokumentation „In Haft – Zu Gast hinter Gittern“.

Extra-Tipp: Was hat Sie dazu bewogen, ausgerechnet da hin zu gehen, wo eigentlich niemand hin will, in den Knast?

Lena Sapper: Ich bin immer interessiert an Menschen und ihren Geschichten. Ich bin von Natur aus neugierig, mache gerne neue Erfahrungen, lerne gerne dazu. In jeder Begegnung entwickelt man sich weiter – auch im Knast. Und das Gefängnis gehört eben genauso zum Leben und zu unserer Gesellschaft wie auch die „freundlicheren Orte“. Ein Jahr zuvor habe ich bereits für 1Live eine einstündige Reportage aus Haftanstalten in Dortmund und Essen produziert. Ich fand es jetzt sehr spannend, noch tiefer in die Thematik einzusteigen.

Haben Sie nur Männer befragt, oder auch Frauen?

Für diese Podcast-Produktion habe ich nur männliche Inhaftierte getroffen. In der JVA Gelsenkirchen gibt es auch eine Frauenabteilung. Ich hätte dort sehr gerne mit den weiblichen Gefangenen gesprochen. Das war aber nicht möglich, da die Stimmung dort zum Zeitpunkt meines Besuchs sehr „kochend“ war und die Anstaltsleitung verständlicherweise nicht noch zusätzliche Unruhe in die Abteilung bringen wollte.

Wie haben Sie das Vertrauen vor allem der Täter gewonnen, die Ihnen sehr offen aus ihrem Leben berichtet haben?

Ganz ehrlich? Ich habe mir da keine großen Gedanken gemacht. Ich war/bin einfach ich. Ich habe jeden Einzelnen dort als Menschen betrachtet, war offen für die Begegnung, habe mich einfach darauf eingelassen. Ich denke, das haben die Inhaftierten einfach gespürt. Dass ich sie nicht verurteile und in ihnen eben nicht nur den Straftäter sehe. Ich wollte einfach verstehen, wieso die Wege der Gefangenen in den Knast geführt haben.

Sie schicken vorweg, dass Sie nicht urteilen, weil das die Aufgabe der Justiz war, und dass die Täter in der Dokumentation viel Raum bekommen. Der Täter im Trailer redet über seine Tat, einen Mord, als wenn er bei Rot über die Ampel gefahren wäre. Hat Sie das trotz aller Neutralität nicht wütend gemacht?

Nein, das hat es nicht. Es war emotional nicht einfach, das ist klar. Ich hatte bei der Podcast-Produktion verschiedene Gefühle, die ich nicht unbedingt in Worte fassen kann. Aber ich habe eben auch das unglaubliche (innere) Leid gesehen und gefühlt, welches die Inhaftierten erlebt haben/erleben. Ich weiß, dass das nicht für jeden nachvollziehbar ist in einer Welt, in der wir alle immer schnell (ver)urteilen und Menschen in Schubladen stecken. Aber alles hat grundsätzlich immer Gründe. Und sie liegen sehr tief im Inneren. Wenn man sich die FYEO Audiodokumentation aufmerksam und mit Ruhe anhört, dann kann man ein bisschen mehr verstehen, wieso Menschen solche Taten begehen. Ich will keine Tat rechtfertigen. Ich selber habe gute Freunde, die zum Beispiel Opfer von Missbrauch waren. Ich kenne also auch die andere Seite sehr gut. Natürlich war die ganze Produktion für mich immer wieder sehr herausfordernd. Aber ich bin offen an die Sache herangegangen. Sonst hätte ich den Job nicht machen können.

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Wie sind die Gespräche mit Tätern und Justizvollzugs-Personal zustande gekommen: Haben sich Interessierte gemeldet, oder haben Sie gezielt bestimmte Personen angesprochen?

Beides. Die Gefängnisse haben im Vorfeld Interessierte ausgewählt. Und viele Interviews sind dann auch einfach spontan entstanden.

Wie fühlt es sich an, in einer Haftanstalt zu sein?

Ich weiß noch, dass ich vor meinem allerersten JVA-Besuch (damals für die Radio-Reportage) schon leicht angespannt war. Aber das hat sich schnell verflüchtigt, wie eigentlich immer im Leben. Natürlich war ich irgendwann so drin in der JVA-Thematik, dass es für mich dann normal war. Es ist halt einfach ein ganz eigener Lebensraum. Ein Lebensraum, den der Großteil der Gesellschaft eben nur von Außen kennt oder eben aus Filmen oder Büchern. Ich hoffe, dass ich durch die Podcast-Produktion vielleicht ein bisschen aufklären konnte – auch wenn mir bewusst ist, dass es nur ein kleiner Einblick in ein Riesenthema ist. Was ich aber in allen JVAs erlebt habe, war totale Menschlichkeit. Und auch das Personal war überall sehr offen und herzlich. Also ja, es hört sich vielleicht verrückt an – aber wir als Team haben uns in allen Gefängnissen wohl gefühlt. Auch wenn wir froh waren, als wir wieder raus durften. (lacht).

Sie sind Mönchengladbacherin. Haben Sie auch Gefängnisse hier in der Region besucht, z. B. die JVA Willich oder die Zweiganstalt Mönchengladbach?

Als ich noch beim damaligen Stadtfernsehen CityVision gearbeitet habe, war ich mit der Kamera für einen Bericht in der JVA hier in Mönchengladbach. Damals stand sie leer. Das fand ich auch schon sehr spannend.