: Respektlos, selbst am Grab

Die Röschen für die verstorbene Oma, die Vase für den geliebten Mann oder auch wertvolle Sträucher, die die Friedhofsverwaltung gepflanzt hat – sich auf Friedhöfen an Gräbern anderer Leute oder den Beeten zu vergreifen, ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Doch pietätlosen Langfingern fehlt selbst der Respekt vor der Friedhofsruhe.

. Andrea Holz ist fassungslos. Erst im Januar hat sie ihren Vater auf dem evangelischen Friedhof an der Kirchhofstraße in Odenkirchen begraben und schon dreimal ist der Blumenschmuck gestohlen worden – ein herzförmiges Gesteck aus weißen Chrysanthemen und Rosen am Geburtstag des Vaters, ein Alpenveilchen im Topf, eine Glasvase und mehrere Dekogegenstände.

Manche Zeitgenossen scheinen Friedhöfe als kostenlose Gartencenter zu betrachten. Schnell mal einen Blumenstrauß gratis zum Muttertag oder einen Kranz umsonst für die Beerdigung des Nachbarn geholt? Respektlos „bedienen“ sie sich an den Grabstätten, wie etwa Anfang April auf dem Friedhof Preyerstraße, wo über 15 Pflanzen ausgerissen oder ausgegraben wurden. Zum Diebesgut zählten Kirschlorbeer-Sträucher, Hartriegel, eine Felsenbirne, eine Blutpflaume und die einzige Serbische Hängefichte auf dem Friedhof. Im vergangenen Jahr seien im großen Stil Grablichter geklaut worden, vor ein paar Jahren gab es sogar gezielte Kupferdiebstähle, weiß Anne Peters-Dreßen, Pressesprecherin der mags, die für die Unterhaltung der 13 städtischen Friedhöfe zuständig ist. „Wir bringen jeden Diebstahl zur Anzeigen“, sagt sie.

Private Diebstähle kriegt die mags allerdings selten mit, kaum einer meldet sowas. Schließlich geht es dabei meistens eher um den ideellen, als um den Sachwert. Das macht es umso perfider. Wenn die pinken Primeln, die die verstorbene Oma so geliebt hat, vom Grab geklaut werden, dann geht es ganz sicher nicht um die 1,99 Euro, die das Töpfchen gekostet hat... Es geht doch nicht um die Kosten“, ärgert sich Schwägerin Inge Holz

Auch Eleonore Forst hat schon einiges erlebt. Ihr selbst wurden schon kurz nach der Beisetzung ihres Mannes Enzian und Christrosen vom Stelengrab ihres Mannes auf dem evangelischen Friedhof am Wasserturm geklaut. „Eine Unverschämtheit ist das. Die Diebe haben scheinbar gezielt nach seltenen Pflanzen Ausschau gehalten und sie einfach herausgerissen“, erinnert sich die Rentnerin. An der Nachbarstele tauschten dreiste Langfinger einen frischen Kranz gegen einen welken aus. Und auch eine Vase ist erst kürzlich verschwunden. Doris Kitscha hatte mit einem Dieb zu tun, der es offenbar auf Kalanchoen abgesehen hatte. „Immer, wenn ich die gepflanzt habe, war hinterher nur noch ein Loch da“, sagt sie, „ich hätte vor Wut heulen können“. Am Nachbargrab auf dem evangelischen Friedhof in Odenkirchen, hätten die Angehörigen ein Schild befestigt: „Für den Dieb: Sie sind beobachtet worden. Beim nächsten mal zeigen wir Sie an!“. Gebracht habe das aber auch nichts. „Sogar den Toten wird noch was weggenommen“, ärgert sich auch der Friedhofsangestellte Alexander Viernich. Er hört immer wieder von Diebstählen und war vor Jahren auch selber betroffen. Grabräuber hatten sich am Kreuz auf dem Grab seines Vaters zu schaffen gemacht. Mal scheinen Diebesbandes es auf Messing- und Kupfer-Inschriften von den Grabsteinen abgesehen zu haben, mal scheinen die Diebe „ganz normale“ Leute zu sein, die zu faul oder zu geizig sind, selbst Blumen zu kaufen.