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Kolumne Recht: Fakten vs. Verschwörung in Corona-Zeiten: Wetten, dass wir es schaffen, den Virus unter Kontrolle zu halten

Kolumne Recht: Fakten vs. Verschwörung in Corona-Zeiten : Wetten, dass wir es schaffen, den Virus unter Kontrolle zu halten

Kurz bevor die Nachrichten erste Bilder von mit LKW abtransportierten Leichensäcken aus Italien sendeten, las man in sozialen Netzwerken häufig den Vergleich der Corona-Pandemie mit der jährlichen Influenza-Welle. Dann eine Weile nicht mehr...

Jetzt, nachdem wir durch umfangreichste Einschränkungen unseres Alltags die Ansteckungszahlen auf ein kontrollierbares Maß gesenkt haben und die meisten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie wieder aufgehoben sind, lese ich wieder, dass mit Influenza auch nicht mehr Menschen sterben als mit Corona.

Ich frage mich, wo die Vertreter dieser Meinung die letzten acht Wochen waren. Dürfte es nicht unstreitig sein, dass wir lediglich durch die massiven Einschnitte in unser berufliches und privates Leben die Ausbreitung der Pandemie und damit die Todeszahlen eindämmen konnten? Auch wenn nicht klar ist, welche der Maßnahmen für sich betrachtet mehr oder weniger geholfen hat. Diese Frage ist zwingende Ursache für die Vielzahl der getroffenen Maßnahmen. Wir wissen bis heute nicht, wie genau sich das Virus ausbreitet und wie nicht.

Ich frage mich außerdem, wo die Vertreter der Influenza-Corona-These waren, als in der Schule Mathematik dran war. Mir als Juristen werden ja schon nicht allzu große Mathematikkenntnisse nachgesagt. Aber dass 20.000 Tote bei 20 Millionen Infizierten (schlimmste Influenza Welle 2012/2013) nicht das Gleiche sind wie 7.000 Tote bei 1.8 Millionen Infizierten (Heinsberg Studie, registriert sind lediglich 170.000 Infizierte), ist Ergebnis eines einfachen Dreisatzes. 20 Millionen Coronainfizierte führten zu über 77.000 Toten. Geht man mit Kritikern der Heinsberg Studie hinsichtlich der Infektionszahlen von einer lediglich zehnprozentigen Dunkelziffer aus, lägen wir im Falle von 20 Millionen Coronainfizierten bei knapp 737.000 Todesfällen. Völlig unberücksichtigt bei dieser Rechnung ist geblieben, dass 20 Millionen Corona-Fälle den Zusammenbruch des deutschen Gesundheitssystems bedeutet hätten, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Todeszahlen.

Schließlich sei den Verfechtern des Influenza-Corona-Vergleichs noch gesagt, dass man sich gegen Influenza impfen lassen kann, gegen Corona nicht.

Apropos Impfen. Die Influenzafans werden derzeit sogar noch übertroffen. Von den Verschwörungstheoretikern. Mir unbekannte „Prominente“ versuchen durch absurde Behauptungen in sozialen Netzwerken der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit zu entfliehen. Ein Mann namens Attila, bei dem es sich wohl nicht um den Hunnenkönig handelt, möchte sich aus dem Untergrund mit Waffengewalt gegen böse, geheime Kräfte wehren, die eine neue Weltordnung schaffen wollen.

So weit so schlimm. „In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen“ so ein Zitat, das aktuell in den sozialen Medien die Runde macht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Auch wenn der Aufstand gegen „die da oben“ während der Corona-Krise noch gefährlichere Züge anzunehmen scheint und sich schon längst nicht mehr nur im Internet abspielt.

Sprechen möchte ich aber noch über die demokratie- und grundrechtkonforme Kritik an der aktuellen Situation:

  • Foto: Kamil Albrecht
    Was Eltern über das Virus wissen sollten : Die RSV-Welle rollt und rollt
  • Der Kreis hat einen aktualisierten Bericht
    Corona-Pandemie im Kreis Viersen : Sterblichkeit deutlich zurückgegangen
  • Dr. Martin Lüchtrath, Dr. Ingo Kern,
    In den Kinderarztpraxen wird jetzt geimpft : RS-Virus auf dem Vormarsch

Die Länder haben nicht die Kontrolle übernommen. Infektionsschutz war schon immer Ländersache. Der Föderalismus ist genau das richtige Instrument, um auf die unterschiedlichen Gefahrenlagen in den Ländern zu reagieren.

Über jede Maßnahme und ihre Aufhebung lässt sich streiten. Doch bei jeder Kritik sollten immer die möglichen Auswirkungen der eigenen Forderung bedacht werden, bevor die Forderung formuliert wird. Die Formulierung einer Forderung im Wege einer Demonstration mit mehreren 100 Teilnehmern ohne Einhaltung der geltenden Abstandsregeln halte ich in jedem Fall für falsch. Denn mangelnder Abstand erhöht die Infektionsgefahr. Das ist eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse.

Lassen Sie uns die aktuellen und geplanten Lockerungen als eine Art Wette sehen. Wir wetten darauf, dass wir eigenverantwortlich und weitgehend ohne staatlichen Einfluss in der Lage sind, die Ausbreitung des Virus in einem kontrollierbaren Rahmen zu halten. Lassen Sie uns die Wette gewinnen. Zu gewinnen gibt es unsere Freiheit und unsere Gesundheit.

Jan Lampe

Fachanwalt für Steuerrecht und zertifizierter Berater Steuerstrafrecht (DAA),

Partner der Kanzlei Hollender Lampe Lampe in Mönchengladbach