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Kolumne Recht: Zwischen berechtigter Sorge und Stimmungsmache

Kolumne Recht : Zwischen berechtigter Sorge und Stimmungsmache

In die Kerbe zwischen den berechtigten Sorgen vieler Menschen und den wirren Theorien der Verschwörungsanhänger schlägt laut Jan Lampe die aktuelle Stimmungsmache des Boulevard.

Während viele Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Pandemie wieder gelockert worden sind, geht es bei der Öffnung von Kitas, Kindergärten und Schulen doch noch sehr schleppend voran. Der Unmut betroffener Eltern wird nicht nur größer, sondern auch lauter. Eine rechtliche Bewertung dieser Benachteiligung der Eltern (und der Kinder?) ist schwierig. Denn die Erforderlichkeit der Einschränkungen kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn Klarheit herrscht über die Ansteckungsgefahr für und von Kindern.

Deutlich leichter ist die Meinungsbildung zu Thesen über Kämpfe gegen Maschinen im Untergrund und entführte Kinder, deren Blut zur Gewinnung eines Lebenselixiers für die Unsterblichkeit einer Elite, ich tippe mal auf „die da oben“, benötigt werde: Schwachsinn, nicht der Rede wert. Am besten ignorieren, denn die Faselei wird aufhören, wenn die heiß ersehnte Aufmerksamkeit ausbleibt.

Schwierig wird es dazwischen. Zwischen den berechtigten Interessen zum Beispiel mehr und mehr verzweifelnder Eltern und den Verschwörungsspinnern. Sollte man jemandem, der gegen die Einschränkung seiner Meinungsfreiheit demonstriert, erklären, dass er genau durch dieses Demonstrieren seine These der eingeschränkten Meinungsfreiheit widerlegt hat? In Ländern, in denen die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist, werden Demonstranten nämlich am Demonstrieren gehindert, ins Gefängnis gesteckt – oder Schlimmeres.

Sollte man auch erklären, dass die Meinungsfreiheit, wie alle Grundrechte, vor einer Einschränkung durch den Staat schützt, aber nicht davor, dass jemand anderes eine andere Meinung hat und diese vehement vertritt? Sollte man „wir sind das Volk“ rufende Menschen nach ihrem Demokratieverständnis und ihren Mathekenntnissen fragen und entsprechende Defizite beheben?

Was aber, wenn Diskussion und Aufklärung nicht gewünscht sind? Was machen mit denen, die ein Feindbild brauchen, um von ihren eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken? Wie reagieren auf solche, die einfach nur Dampf ablassen müssen, um ihre Unzufriedenheit mit sich selbst zu betäuben? Menschen, die ARD und ZDF als Lügenpresse bezeichnen und stattdessen simpelste Phrasen dreschenden Idioten im Internet hinterherlaufen, sind durch sachliche Diskussion schwerlich von einer anderen Meinung zu überzeugen.

Bedenklich wird es, wenn Medien gar kein Interesse mehr haben, ihre Zuschauer, Leser oder Follower mit den zum Verständnis eines Themas erforderlichen Informationen zu versorgen. Ich halte es sogar für gefährlich, wenn Einschaltquoten, Leserzahlen und Klicks planmäßig mit gezielter Stimmungsmache statt mit der Aufbereitung von Informationen und der Erklärung in der öffentlichen Diskussion befindlicher Themen verfolgt werden. Als geradezu ekelhaft empfinde ich es, wenn Medien die Unwissenheit ihrer Leser und Zuschauer ausnutzen, um diese anzustacheln und gegen andere aufzuhetzen. Ein Beispiel gefällig?

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Die Bildzeitung titelte dieser Tage: „Schulen und Kitas wegen falscher Corona Studie dicht“. In dem sich anschließenden „Artikel“ wurde diese steile These dann aber nicht erklärt, geschweige denn belegt. Im Gegenteil: Der Autor stellte lediglich die Frage: „Sind unsere Schulen und Kitas dicht, weil Drosten sich verrechnet hat?“ Eine Antwort auf diese Frage des Autors sucht man in der Bildzeitung vergeblich. Einer der Wissenschaftler, auf welche sich die Bildzeitung bei der aufgeworfenen Frage berufen hatte, ließ heute in einem Spiegel-Interview wissen: „Drosten ist ein Gigant der Virologie. Ich habe von seiner Disziplin keine Ahnung (…). Als ich heute von dem Bild-Artikel erfahren habe, habe ich ihm gleich eine Mail geschrieben, wie unangenehm mir das ist.“

Die Bildzeitung haut also ganz bewusst eine fett gedruckte Überschrift raus und stellt deren Richtigkeit sofort selbst in Frage, allerdings deutlich kleiner gedruckt. Was soll das? Ich habe nur eine Erklärung: Bild will, dass mangels tiefergehenden Interesses der Leser, bei selbigen nur hängen bleibt, dass die Schließung von Kitas, Kindergärten und Schulen falsch war. Dass diese Behauptung falsch ist, nimmt Bild ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf. Die Zeitung will also nur gegen den Leiter der Berliner Charité hetzen und die Leser gegen die Corona Maßnahmen aufstacheln. Warum ist mir ein Rätsel.

Jan Lampe

Fachanwalt für Steuerrecht und zertifizierter Berater Steuerstrafrecht (DAA),

Partner der Kanzlei Hollender Lampe Lampe in Mönchengladbach