1. Mönchengladbach

Volkshochschule Mönchengladbach bietet Kurse für Analphabeten an

Volkshochschule startet wieder Kurse für Analphabeten : 19 000 Gladbacher können nicht lesen

Es ist eine statistische Zahl, die schockiert: Rund 19 000 Erwachsene in Mönchengladbach sind Analphabeten, das heißt, sie können gar nicht oder nicht in dem Maße lesen und schreiben, wie es zur Bewältigung des Alltags erforderlich ist. Die Volkshochschule Mönchengladbach bietet jetzt wieder Kurse an.

Es ist die Frau, die vorgibt, ihre Brille nicht dabei zu haben und den Beamten bittet, ihr ein Formular vorzulesen. Der Mann, der ein Schriftstück lieber mit nach Hause nimmt, „um es in Ruhe zu lesen“... Da ist der Aushang vom Vermieter, das Schreiben der Versicherung, das Schild mit den Öffnungszeiten der Reinigung – für uns selbstverständlich, für diese Menschen unerschließbar. Sie können um Hilfe bitten, aber da ist diese Scham und manchmal auch Angst, zum Beispiel, den Arbeitsplatz zu verlieren.

Analphabeten gab es immer und gibt es bis heute, wenn die Zahlen auch rückläufig sind – laut LEO-Studie der Uni Hamburg von 7,5 Mio. deutschlandweit in 2011 auf 6,2 Mio. in 2018. So hat auch die 1946 in Mönchengladbach gestartete Volkshochschule von Anfang an Kurse für „gering literalisierte Erwachsene“ angeboten – mit Erfolg, wie die Teilnehmerzahlen über die Jahre gezeigt haben. Erst in den letzten beiden Jahren sind diese coronabedingt zurückgegangen – von 83 (2018) auf 73 (2019) auf nur noch 32 (2020), wie VHS-Programmbereichsleiterin Cleopatra Altanis bedauernd feststellt. „Es läuft jetzt langsam wieder an“, räumt sie ein, „aber die immer wechselnden Corona-Auflagen stellen eine weitere Blockade für die Menschen dar.“

Die sind ohnehin schwer zu erreichen, denn neben der erwähnten Scham und Angst, die überwunden werden müssen, ist die erste Hürde, die Betroffenen mit dem Angebot überhaupt erst einmal zu erreichen.

Am besten geht das übers Radio und über Bezugspersonen, die lesen können und beispielsweise in der Zeitung von den Kursen erfahren, Betroffene darauf aufmerksam machen und vielleicht mit ihnen zum ersten Beratungsgespräch kommen. „Wenn sie erst einmal gesagt haben ‚Ich trau mich jetzt!‘, tauen sie schnell auf“, erzählt Altanis. „Sie merken, sie sind nicht allein. Und in der Gruppe entsteht ganz schnell eine Vertrautheit. Man wächst zusammen, einige kommen schon seit vielen Jahren zum Kurs.“

Wie es überhaupt dazu kommen kann, dass in unserer modernen Gesellschaft mit Schulpflicht Menschen beim Lesen und Schreiben abgehängt werden? „Die Ursachen sind immer gleich“, erklärt Cleopatra Altanis. „Da sind Eltern wenig literalisiert, die Kinder haben keinen Zugang zur Schrift, keine Vorbilder, in der Schulzeit gehen sie in überfüllten Klassen unter, die Eltern können das nicht kompensieren. Irgendwie mogeln sie sich durch, gehen mit schlechtem oder ohne Abschluss von der Schule ab. Sie ziehen sich zurück und die Spirale geht los. Früher gab es mehr handwerkliche Berufe, in denen man mit Fleiß weit kommen konnte. Heute sind in fast allen Berufen Computerkenntnisse und Dokumentation erforderlich – das setzt Menschen, die nicht lesen und schreiben können, immer neue Grenzen.“

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Das Erfolgsrezept der VHS-Kurse? „Tests und Prüfungen sind Vokabeln, die wir nicht verwenden“, sagt Altanis. Und: „Es gibt kein allgemeines Lehrbuch, sondern ein auf jede/n Teilnehmer*in zugeschnittenes Kursprogramm.“ Das heißt, die Hausfrau und Mutter lernt mit anderen Materialien als zum Beispiel der Logistik-Arbeiter. Drei superengagierte und motivierte Lehrkräfte bereiten entsprechend für jede/n Teilnehmer*in ein eigenes Programm vor. Und: Das alles gibt es zu sozialen Preisen – 36,50 Euro, beziehungsweise in vielen Fällen ermäßigt 19,50 Euro für einen siebenwöchigen Kurs.