Perfektes Theaterereignis

Perfektes Theaterereignis

Was für eine grandiose Premiere! Kaum wird die Bühne abgedunkelt, springt das Publikum auf und klatscht sich die Hände wund. Ekstatische Begeisterung für die Schauspieler – allen voran R.A. Güther – für Regie und Bühnenbild und für ein Tabuthema: Demenz vom Typ Alzheimer.

Til Schweigers Film „Honig im Kopf“ hat sieben Millionen Zuschauer im Kino begeistert, aber er wird der schwierigen Thematik der Krankheit Alzheimer lange nicht so gerecht, wie das Bühnenstück, das am Samstag bei den Neersener Schlossfestspielen Premiere gefeiert und die Zuschauer zutiefst berührt hat.

Das alleine hätte aber diese Begeisterung nicht ausgelöst. Da sind zunächst die Schauspieler: R.A Güther als Amandus Rosenbach verzweifelt am Tod seiner Frau und wird dement – mit jeder Szene ein bisschen mehr. Das drückt sich vor allem in der überragenden Körpersprache von Güther aus, die immer starrer wird.

Und da ist die Enkelin Tilda, gespielt von Maria Arnold. Sie schlüpft nicht nur glaubhaft in die Rolle des Kindes, sondern nimmt die Zuschauer zudem als Erzählerin an die Hand, um den Teil der Handlung zu beleuchten, der sich in dem Kammerspiel nicht darstellen lässt. Zwei Figuren in einer, perfekt gespielt.

Gegen dieses starke Duo anspielen müssen Susanne Theil (Sarah) und René Hofschneider (Niko) in der Rolle der Eltern von Tilda sowie als Schwiegertochter und Sohn von Amandus. Und sie gehen dabei nicht unter, sondern setzen eigene Akzente. Als Egozentriker, gefangen in ihrem Business, die erst wieder lernen müssen, menschlich zu denken und fühlen.

Unterstützt wird dieses perfekte Spiel von dem minimalistischen Bühnenbild, für das Silke von Patay verantwortlich zeichnet. Von ihr stammt auch die Idee der Koffersymbolik. Koffer gefühlt mit den Erinnerungen, die den Menschen auf seiner Lebensreise begleiten – bis zum Ende oder bis zu dem Moment, wo er diese Koffer nicht mehr öffnen kann.

Inszeniert hat das Stück der bekannte TV-Schauspieler Matthias Freihof, der sich aber auch als Regisseur längst einen guten Namen gemacht hat. Ob er nun die Schauspieler geführt oder ihnen den Platz gegeben hat, den sie brauchen, um aus sich herauszukommen, ist einerlei. Das Ergebnis zählt und das ist einfach grandios. Sehr schön auch seine Idee, die Reise nach Venedig, die im zweiten Akt gezeigt wird, mit italienischen Schlagern der 60er Jahre von Anfang an anzukündigen. Venedig – die Stadt der Liebe, in der Amandus mit seiner Frau unvergessene Flitterwochen verbracht hat.

So tragisch sich das alles anhört, so gibt es doch genügend Szenen in der Aufführung, bei denen man herzhaft lachen kann. Am stärksten sind aber die Momente, die einen ganz tief berühren.

Wer noch keine Karten für das Stück „Honig im Kopf“ gekauft hat, muss sich jetzt beeilen, sonst verpasst er ein perfektes Theaterereignis!

(StadtSpiegel)