1. Städte

„Speichellecker helfen nicht weiter“

„Speichellecker helfen nicht weiter“

"Ich war ganz erschüttert, was ich in den vergangenen 45 Jahren alles falsch gemacht habe." Dr. Heinrich Weiss darf das mit einem Augenzwinkern sagen, denn der Aufsichtsratsvorsitzende der SMS Siemag hat in seiner beruflichen Laufbahn weitaus mehr richtig als falsch gemacht.

Auf Einladung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMV) sprach der bald 73-Jährige in der Citykirsche vor ausgewählten Unternehmern.

Das Büßergewand wolle er sich angesichts der ungewöhnlichen Location zwar nicht überwerfen, scherzte Weiss, doch im Anschluss sprach er offen über seine Karriere, Erfolge und Fehler. Letztere dürfe man machen, "aber nur einmal. Aus Fehlern muss man lernen". Von diesen habe er als junger Mann einige gemacht — durfte sie auch machen, denn sein Vater übertrug ihm mit gerade einmal 26 Jahren die Verantwortung für eine von dessen Firmen.

Es folgte eine steile Karriere, die den gebürtigen Berliner bis an die Spitze der SMS Siemag, heute der weltweit größte Firmenverbund im Hütten- und Anlagenbau, katapultierte. In den Jahren 2005 bis 2008 verzeichnete der Konzern einen Rekordumsatz von jährlich über fünf Milliarden Euro, in den vergangenen drei Jahren sei die Auftragslage jedoch zurückgegangen, wie Weiss erklärt. Der Umsatz läge derzeit bei 3,4 Milliarden Euro, "und den brauchen wir auch". Allein im vergangenen Jahr habe SMS Siemag 25 Millionen Euro für Flugtickets ausgegeben, mit denen Mitarbeiter auf der ganzen Welt im Einsatz waren. "Die Liquidität ist da, aber sie schrumpft. Wir bauen altersbedingt Personal ab, sprechen aber keine Kündigungen aus", unterstreicht Weiss.

Der Umsatzrückgang sei übrigens auch der Grund gewesen, warum SMS vom ursprünglichen Plan, seine Firmenzentrale nach Mönchengladbach zu verlegen, abgewichen sei. "Der notwendige Neubau hätte zwei Millionen Euro verschlungen, das können und wollen wir uns derzeit nicht leisten". Weiss betonte aber, dass diese Entscheidung aufgeschoben, aber nicht aufgehoben sei, denn vom Firmenstandort Mönchengladbach habe er einen durchweg positiven Eindruck. "Hier herrscht ein so wahnsinnig gutes Betriebsklima, wie ich es selten erlebt habe!"

Vergleichsmöglichkeiten hat Dr. Heinrich Weiss in 45 Berufsjahren einige gesammelt, und auch er selbst hat dadurch viel gelernt. "In jungen Jahren war ich zu hektisch, zu unkonzentriert und zu ungeduldig. Ich wollte mehrere Sachen auf einmal machen. Je höher man aber als Manager kommt, umso wichtiger ist es, zuzuhören." Die richtige Menschenführung sei das, was gute Manager auszeichne. Und: Je höher man aufsteige, umso wichtiger sei es, sich Meinungen von Außenstehenden einzuholen. "Speichellecker helfen einem dabei nicht weiter, wobei die meisten einem nicht aus Karrieregründen beipflichten, sondern weil sie meinen: 'Der Alte hat so oft recht gehabt, so wird es auch diesmal sein'", sagt Weiss ehrlich. Seine Tipps an Unternehmer: Wichtige Termine nach dem eigenen Biorhythmus ausrichten (die wichtigen in der produktivsten Phase), Aufgaben, in denen man selber nicht firm ist, delegieren, keine Verträge unterschreiben, die man nicht selber gelesen hat — "und wenn man sich in die eigene Sekretärin verliebt, ihr eine andere Stelle besorgen!"

(StadtSpiegel)