Sucht im Kreis Viersen: Drogenumschlagsplatz Schule?

Sucht im Kreis Viersen : Drogenumschlagsplatz Schule?

Rund 3 000 Bürger des Kreises Viersen erreicht die Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe im Jahr. Das erfuhren die Mitglieder der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus, als sie den Verein jetzt besuchten. Alkohol bleibt ein großes Problem.

Immer mehr Jugendliche kommen nicht vom Computer weg.

Reiner Lennertz erntete erstaunte Blicke seiner Zuhörer: "An jedem dritten deutschen Arbeitsplatz steht Alkohol", sagte der Leiter der Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe. Lennertz: "Zu uns kommen Mitarbeiter, die sich morgens auf dem Weg ins Büro einen Flachmann mit Wodka kaufen, weil sie sonst ihre Arbeit nicht erledigen könnten. Auf dem Nachhauseweg halten sie wieder an und nehmen sich noch einen für den Abend mit."

Die Suchtberatung ist für alle Arten von Sucht im Kreis Viersen zuständig. Seit 1997 hat der Kreis Viersen diese Aufgabe dem 1973 gegründeten Verein als einzigem Träger übertragen. Die Suchtberatung leistet Präventionsarbeit, sie berät und betreut Suchtkranke und vermittelt sie in Rehabilitationsmaßnahmen. Neben dem Hauptsitz an der Kreuzherrenstraße 17 in Viersen-Dülken unterhält der Verein Außenstellen in Kempen, Nettetal und Willich sowie zwei Wohnheime für ältere Suchtkranke in Süchteln. Er beschäftigt 44 hauptamtliche Mitarbeiter.
Alkohol ist "das" große Problem, aber längst nicht das einzige: Immer mehr Menschen seien von Internet- und Onlineangeboten abhängig oder spielsüchtig, erklärte Hans Josef Kampe, Vorsitzender der Suchtberatung: "Eltern kommen zu uns und berichten, dass sie ihr Kind nicht mehr vom PC wegbekommen. Die Kids sind 16,17 Jahre alt, gehen nicht mehr zur Schule und verlieren den Kontakt zur Realität. Da kommt die nächste große Welle von Abhängigkeiten auf uns zu."

Bei den stoffgebundenen Süchten gehe der Trend weg von harten Drogen und hin zu Mischformen: "Wir kennen Schichtarbeiter, die abends eine Speed-Tablette nehmen, um die Nacht durchzustehen, und morgens ein Bier, um schlafen zu können", berichtete Reiner Lennertz.

"Ab wann ist man alkoholabhängig?", wollte Jochen Häntsch, Vorsitzender der SPD-AG 60plus, wissen. Dafür gebe es einen europaweiten Standard, erklärte Lennertz: "Bei einem halben Liter Bier oder 0,2 Liter Wein täglich läuft man Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln." Umso wichtiger ist der Suchtberatung eine intensive Präventionsarbeit.

Die beginnt sehr früh: "Wir gehen bewusst auch in Kindergärten und Grundschulen", erläuterte Kampe. Nicht um die Kinder zu erreichen, sondern um insbesondere Eltern und Großeltern zu sensibilisieren. Sie sollten auf Veränderungen achten. "Wenn sie irgendwann merken, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt, wissen sie, dass sie bei uns Hilfe bekommen können", sagte Monika Mai, stellvertretende Leiterin der Suchtberatung.

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Hans Josef Kampe weiß, wie verbreitet das Problem ist: "Ich glaube, an fast jeder weiterführenden Schule wird gedealt und konsumiert — auch im Kreis Viersen", betonte er. Viele Abhängige schaffen irgendwann den Ausstieg, manche nicht.

"Im letzten Jahr haben wir einen Klienten beerdigt, den wir 25 Jahre lang begleitet hatten", erzählte Reiner Lennertz. Im Alter von acht Jahren war der Viersener im Sandkasten mit Heroin angefixt worden. Davon kam er nie mehr los. Er wurde 51 Jahre alt.