Es gibt keine Hürden

Es gibt keine Hürden

Warum zur Wahl gehen? Ausgerechnet am Muttertag? Warum sich die Mühe machen, eine Entscheidung zu fällen? Was interessiert mich eigentlich die Rheinvertiefung? Oder Kinderräte in den Kommunen?

Ich wollte mich schon früh vorbereiten. Habe den Wahl-O-Mat aufgerufen, habe Zeitung gelesen und Radio gehört. Habe mich interessiert, wie die Kampagnen der Parteien in der Öffentlichkeit bewerten werden (obwohl ich ahne, dass nicht die Kampagne gewählt wird, sondern Person oder Partei). Und ich habe mit Freunden und Kollegen gesprochen. Mein Bild war eigentlich gemalt.

Und dann das: Ich habe meine Wahlbenachrichtigung nicht mehr gefunden. Ins Altpapier gerutscht? Bin ich jetzt raus aus der Wahl? Roswitha Karallus, Leiterin der Nettetaler NetteZentrale, kann mich beruhigen: „Wer den Personalausweis mitbringt, kann wählen.“ Außerdem finde man auf der Internetseite der Stadt unter dem Button „NRW wählt“ alle Informationen zur Wahl. Auch, wie man noch eine Briefwahl beantragen kann. „Allerdings sollte man den Postweg berücksichtigen“, sagt Roswitha Karallus. Ich atme tief durch. Ich könnte sogar morgen früh in den Bürgerservice gehen, die Briefwahl beantragen, mit den Unterlagen sofort in die bereitstehende Kabine gehen und wählen. Weder aus bürokratischer, verwaltungstechnischer Sicht gibt es Hürden, nicht zur Wahl zu gehen. Nicht nur in Nettetal, sondern in allen Kommunen.

Bleibt also noch das Warum. Dass es unser Recht ist, heißt ja schließlich nicht, dass es eine Pflicht ist. Aber: Wenn ich nicht wählen gehe, bestimmen andere, wer meine Interessen im Landtag vertreten soll. „Die Entscheidung, wer das Land regiert, kann ganz schnell von ganz wenigen Stimmen abhängen. Im Zweifel genau von Ihrer“, schrieb die Süddeutsche Zeitung schon am 22. September 2013. Das klingt ein wenig pathetisch, ist aber richtig. Jede Stimme zählt, jede ist gleich wichtig.

Dabei geht es nicht nur um den Einzelnen, sondern vorrangig um das Ganze. Die politischen Kräfte haben die Aufgabe, die Interessen ihrer Bürger zu bündeln und zum Wohl der Gesamtheit umzusetzen. Jeden

Einzelnen

in NRW glücklich zu machen, das wird der Landesregierung nicht gelingen.

„Wer wählen darf, soll auch wählen gehen“, sagt auch Landes-Wahlleiter Wolfgang Schellen. Mit unserem Votum bestimmen wir das Leben direkt in unserem Umfeld: Bildung, Kultur, Polizeiwesen, Ladenschlussrecht, Denkmalschutz, Hochschulwesen, Strafvollzug, Grunderwerbsteuer, sozialer Wohnungsbau, Rundfunk- und Medienwesen – die Liste der „Ländersache“ ist noch länger. In welche Richtung sich die zwölf NRW-Ministerien und zwei Landesvertretungen im Bund und Europa bewegen, das bestimmen wir alle.

Wer weiß schon, wann und wo und ob überhaupt ich meine Wahlbenachrichtigung wiederfinde. Wählen gehe ich dennoch. Gründe habe ich genug.

(Report Anzeigenblatt)