Lass das erste Glas stehen

Lass das erste Glas stehen

Die Weltgesundheitsorganisation legt enge Grenzen fest. Wer mehr als ein Glas Wein pro Tag trinkt, läuft Gefahr, Alkoholkrank zu werden. Die Meetings der Anonymen Alkoholiker (AA) müssten also zum Bersten voll sein.

Doch noch wird der Konsum von Alkohol oft genug verniedlicht, die Werbung ruft zum Trinken auf — auch wenn empfohlen wird, bewusst und maßvoll zu trinken. Der Extra-Tipp traf sich mit der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker in Hinsbeck.

Wir hören von einem Mann, der sein Metzgermesser nicht mehr kontrolliert führen kann. Wir hören von einer Frau, deren Auszubildende den Schnapsatem riechen können. Wir hören von einer anderen Frau, die die Kindheit ihrer Kinder nicht bewusst erlebte. Alle haben die gleiche Krankheit: Alkoholismus. Alle sind seit Jahren trocken. Alle besuchen regelmäßig die Sitzungen der Anonymen Alkoholiker.

Hier, im Hinsbecker Gemeindehaus der evangelischen Kirche, treffen sie sich regelmäßig. Nicht, um anderen Vorschriften zu machen oder Ratschläge zu geben, sondern, um von ihren Erfahrungen zu berichten und anderen dadurch die Möglichkeit zu geben, sich wieder zufinden. Jutta sagt gleich zu Beginn, dass nur der Mensch wichtig sei, nicht seine Position. Ihre Alkoholgeschichte erschüttert, doch Jutta schaut mit klarem Blick in die Zukunft. Nach ihrer Entgiftung im Krankenhaus und ihren Gesprächen bei den AA sei sie wieder Mensch geworden, seien ihre Freunde wieder zurückgekommen. "Die Blumen wachsen anders", so beschreibt Jutta ihr heutiges Leben. Seit 25 Jahren trinkt sie keinen Alkohol mehr.

"Jetzt kannst du aufhören, du hast genug gesoffen."
Bernd

"Komm, ein Absacker geht noch", heißt kurz vor Ende der Party. Siege im Sport müssen begossen werden, ein Aperitif vor dem Essen muss sein. Manche müssen sich Mut antrinken, andere können nur mit einem Weinbrand entspannen.
Helmut erzählt, er habe auf der Couch gelegen. Seine Kinder wollten ihn nicht wecken. "Du weißt doch, wie Papa ist, wenn er getrunken hat", flüsterte seine Tochter. Helmut berichtet, wie die Familie unter seiner Krankheit litt. Deshalb sei ihm der Schutz für seine Angehörigen so wichtig. Auch deshalb besucht er regelmäßig die Treffen der AA. Nicht nur in Hinsbeck, denn die AA sind über die ganze Welt organisiert: in 184 Ländern, in 76 Sprachen. Ein starkes Netz für Menschen, die den Weg aus der Krankheit nicht alleine finden können. Die früher trinken mussten, Die nicht "nein" sagen konnten.

Während andere Selbsthilfegruppen sich gut präsentieren können, bleibt es in der Öffentlichkeit meist still um die AA. "Bei den anderen Ständen standen sie Schlange, wir blieben allein", erinnert sich Werner an einen Informationstag der Selbsthilfegruppen in Kempen. Mit Alkoholismus verbindet man schnell den Gedanken an verwahrloste Menschen unter der Brücke.

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Viele der Teilnehmer hatten zunächst versucht, Kontrolle über den Alkoholismus zu bekommen: "Trink doch einfach weniger." Aber das funktioniert nicht. Im Mittelpunkt steht bei vielen die Organisation der Alkohols, die vergebliche Vertuschung, die Taktik des Bunkerns, die Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Der Alkohol bestimmt den Tagesablauf. "So wie ich gewesen bin, so möchte ich nie mehr sein", sagt Manny mit fester Stimme, "ich bin dankbar, dass meine Enkel mich nie betrunken gesehen haben."

Dankbar — ein Wort, dass an diesem Abend oft fällt. Dankbar, dass sie in der AA-Gruppe einen Weg finden können, nicht mehr trinken zu müssen. Dankbar, dass sie alle standhaft bleiben wollen. Denn: das nächste Glas ist nur eine Armlänge entfernt.

Die AA leisten konkrete Öffentlichkeitsarbeit — ehrenamtlich. "Wir gehen in Schulen, Betriebe und Krankenhäuser und informieren über unsere Krankheit", sagt Werner, "was du bekommst, sollst du auch weitergeben." Und betont, dass jeder nur von sich aus handeln kann. "Tu etwas", heißt deshalb das Credo der Gruppe.

In der Gruppe kann jeder sprechen, muss aber nicht. An diesem Abend hören einige nur zu. Gemeinsam wünschen sie sich am Ende des Meetings viel Kraft für die nächsten 24 Stunden. Gemeinsam sprechen sie zum Schluss: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."