Man wird doch wohl noch atmen dürfen ...

Man wird doch wohl noch atmen dürfen ...

Die Zeit der Oktoberfeste beginnt. Einer der Inbegriffe des bayrischen Kulturlebens hat längst seinen Siegeszug in Richtung karnevalistischer Niederrhein gestartet. Haltestellen ließen sich leicht und überall finden, der Mensch feiert halt gern und liebt im Allgemeinen die Geselligkeit.

Allgemein heißt: Nicht alle! Einige verlangen Ruhe.

Wilhelm Busch hatte noch einen anderen Gedanken: "Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden." Das hat sich auch die Legislative zu Herzen genommen und das Bundes-Imissionschutzgesetz auf den Weg gebracht. Einer der Knackpunkte: Nach 22 Uhr gilt die Nachtruhe. Wer an warmen Spätsommerabenden gerne in der persönlichen Herzens-Gaststätte mit Freunden den Feierabend genießen will — im Freien versteht sich — der hat es schwer.
Die Ordnungsämter der Kommunen und die Polizei rücken aus, wenn Nachbarn Beschwerde einlegen.

Während der eine von uns schon Geräusche von spielenden Kindern als unerträglich empfindet, pochen andere auf ihr "Recht", bis tief in die Nacht der Welt die Philosophie der Toleranz zu erkl ären — mitten in der Stadt.
Fest steht: Lärm schadet der Gesundheit — aber machen quakende Frösche Lärm?

In reinen Wohngebieten sind tagsüber 50 db(A), nachts nur noch 35 db(A) zulässig. Dieser A-Filter bewertet höhere Frequenzen stärker als niedrige. Gaststätten unterliegen den Vorschriften des Gaststättengesetzes sowie des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), das durch die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) konkretisiert wird. Vor dem geöffneten Fenster dürfen nachts in der Innenstadt höchstens 45 db(A) gemessen werden — immer über einen Zeitraum gemessen.
2006 wurde eine Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImSchG § 9 Abs. 2) vorgenommen. Die Außengastronomie darf jetzt bis 24 Uhr öffnen. "Die Gemeinden können den Beginn der Nachtruhe nur dann auf 22 Uhr vorverlegen, wenn es ihnen zum Schutz der Nachbarschaft, insbesondere in Wohn- und Mischgebieten, geboten erscheint", heißt es in einem Merkblatt des Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz- und Verbraucherschutz NRW vom Mai 2012.

Gerade ist man tief im Gespräch verwurzelt, freut sich schon auf das nächste leckere, kühle Getränk, da zeigt der Wirt auf die Uhr und beendet die nette Runde. Die Gäste haben die Wahl: Drinnen weiterquatschen oder zahlen.

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"Wir stehen nicht auf der Seite des Wirts und nicht auf der Seite der Anwohner, sondern genau dazwischen. Wir wollen ausgleichen", sagt Thomas Ricker, Fachbereichsleiter für Ordnung und Sicherheit der Stadt Viersen. Er kennt die Lage seit 25 Jahren. Früher habe man rund 100 Beschwerden im Jahr auf dem Tisch gehabt, heute ließen sich die Fälle an einer Hand abzählen. "Natürlich führen wir Außenkontrollen durch", sagt Thomas Ricker. Die Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes sind geschult im Umgang mit dem Lärm-Messgerät. Wenn alle vermittelnden Gespräche nichts fruchten, müsse der Wirt mit Konsequenzen rechnen, das sei klar. Das sei jedoch die letzte Möglichkeit. Großen Wert legt Thomas Ricker auf das vermittelnde Gespräch.

Einen Appell in die gleiche Richtung schickt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA): "Gut ist, wenn im Streitfall die Beteiligten einen Weg außerhalb der Behörden finden und sich einigen können", setzt aber voraus, dass selbstverständlich Gesetze und Normen eingehalten werden müssen.
In der heutigen Zeit scheint es dringend empfohlen, diesen Weg auszuprobieren. Allein im Juli rückte die Polizei 302 Mal wegen Ruhestörung aus, davon 20 Mal zu Gaststätten. Im August war die Polizei immerhin noch 284 mal unterwegs (davon in 17 Fällen Gaststätten). Ein Dezibel-Messgerät haben die Polizeibeamten nicht an Bord. "Wir schauen uns die Lage immer erst an, verschaffen uns einen Eindruck", sagt Polizeisprecher Wolfgang Görtz, "dann versuchen wir im Gespräch zur Ruhe zu mahnen."

"Wir wollen niemandem die Sommerzeit vermiesen", sagt Nettetals Sprecher Jan van der Velden. Aber das Ordnungsamt habe nun mal die Aufgabe, auf Recht, Ordnung und Sicherheit zu achten. Dazu gehörten auch Kontrollen der Gaststätten, wenn Beschwerden vorliegen. Dazu gehörten auch gelegentliche Kontrollen ohne besonderen Auftrag. "Wie macht man alle glücklich?", stellte Jan van der Velden die philosophische Frage. "Maß halten mit Fingerspitzengefühl und Respekt zeigen", antwortet er sich selbst.

Im Konfliktfall ist sicherlich ein Mediator, ein Schlichter, hilfreich. Die Stadt Mannheim hat jüngst einen so genannten Nachtbürgermeister gewählt, der genau diese Aufgaben übernehmen soll: Schlichten und vermitteln, wenn Wirt und Feiernde und Anwohner nicht einer Meinung sind, wie lange die Party noch dauern soll.