Offener Brief an den Landrat

Die Bürgerinitiative "VeNeTe, so nicht!" hat sich jetzt mit einem offenen Brief an Landrat Dr. Andreas Coenen gewandt. Gleichzeitig hat die Initiative den persönlichen Dialog angeboten. "VeNeTe, so nicht!

" verfolgt das Ziel, das im Nettetaler Gewerbegebiet VeNeTe geplante Wertstoff- und Logistikzentrum zu verhindern. Wir veröffentlichen den offenen Brief.

Geplantes Wertstoff und Logistikzentrum (WLZ) des Abfallbetriebes des Kreises Viersen im Gewerbe-/ und Industriegebiet "VeNeTe” in Nettetal

Sehr geehrter Herr Dr. Coenen,

seit der Informationsveranstaltung des Abfallbetriebes des Kreises Viersen (ABV) am 11.10.2017 in Nettetal-Kaldenkirchen zum geplanten WLZ im Gewerbe- und Industriegebiet "VeNeTe", wachsen bei den Bürgern im Kreis Viersen die Bedenken und Einwände gegen den geplanten Bau der Anlage. Nach der Informationsveranstaltung der Bügerinitiative "VeNeTe, so nicht!", an der rund 500 Bürger teilnahmen, bekundeten bis jetzt ca. 3.000 Bürger aus dem gesamten Kreis Viersen mit Ihrer Unterschrift ihren Unmut gegen den Bau der Anlage.

Beunruhigte und besorgte Bürger kommen mit vielen Fragen auf uns zu, die wir ohne Ihre Hilfe nicht mehr im Stande sind zu beantworten. Daher haben wir uns entschieden, Sie in Form eines offenen Briefes anzuschreiben, um Antworten auf die vielen Fragen und Bedenken zu erhalten.


• In Viersen-Süchteln betreibt die EGN (Entsorgungsgesellschaft Niederrhein mbH) einen Abfallumschlag und eine Kompostierungsanlage in der aktuell die Abfallmengen des Kreises umgeschlagen bzw. direkt weiterverarbeitet werden (Bioabfall). Der Vertrag für die Kompostierung der Bioabfälle wurde kürzlich zu einem Preis von unter 85 € pro Tonne für die Jahre 2018 und 2019 nach öffentlicher Ausschreibung wieder an die EGN vergeben. Gegenüber dem Altvertrag ergab sich eine Ersparnis von ca. 30 € je Tonne. Der Vertrag für den Restabfallumschlag läuft noch mindestens bis zum 31.12.2024. Laut Aussage der EGN steht einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kreis Viersen darüber hinaus nichts im Wege.


Warum wurden die Gespräche mit der EGN abgebrochen, bzw. warum ist man seitens des Kreises nicht an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert?
Worin besteht die Notwendigkeit eine weitere Anlage im Kreis zu errichten?

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• Wenn eine Zusammenarbeit mit der EGN nicht mehr möglich oder nicht mehr gewünscht sein sollte, warum schreibt man das "Umladen" oder den Bau und Betrieb einer solchen Anlage nicht europaweit aus?

• Besitzt der Kreis Viersen ein Mitnutzungsrecht für die Anlage in Viersen Süchteln? Wenn ja, wie lange genau?

• Nettetal-Kaldenkirchen liegt im äußersten Westen des Sammelgebietes. Für das Einsammeln der Abfälle sind die Städte und Gemeinden zuständig. Die Transportwege für die Gemeinden Willich und Grefrath, die Städte Kempen und Tönisvorst werden zukünftig erheblich länger und werden unweigerlich höhere Kosten verursachen. Warum wurde dann der Standort Nettetal für das geplante WLZ gewählt? Wie korrespondieren die steigenden Transportkosten mit den in Aussicht gestellten sinkenden Abfallgebühren?

• Wurden die Städte Willich, Kempen, Tönisvorst, Viersen und die Gemeinde Grefrath über die künftig längeren Transportwege für die kommunalen Sammelfahrzeuge im Vorfeld der Planung informiert?

• Daraus entsteht nachweislich eine höhere vermeidbare CO₂-Belastung für die Umwelt. Wie können Sie diese zusätzliche Belastung ökologisch verantworten?

• Das WLZ, das in Nettetal errichtet werden soll, fordert laut Aussagen von Herrn Andreas Budde (1. Betriebsleiter ABV) in der Rheinischen Post vom 04.12.2017 Investitionen in Höhe von ca. 10 Millionen €. Wie soll der Bau der Anlage finanziert werden und wie korrespondiert diese Investition mit den in Aussicht gestellten sinkenden Abfallgebühren? Wer trägt das Risiko, wenn die Schätzungen der Baukosten nicht realisiert werden können und der Bau der Anlage teurer wird als geplant?

• Aktuell werden die Bioabfälle des Kreises (ca. 35.000 t pro Jahr) ohne Umzuladen direkt in Viersen-Süchteln durch die Städte und Gemeinden angeliefert und kompostiert. Zukünftig sollen die Städte und Gemeinden die Bioabfälle nach Nettetal liefern. Von dort aus, sollen die Abfälle in eine noch nicht existierende Vergärungsanlage nach Kamp-Lintfort verbracht werden. Dies hat für den Kreis Viersen und Städte und Gemeinden unweigerlich höhere Transportkosten zur Folge. Zusätzlich entstehen Kosten für das zusätzliche Umladen der Bioabfälle. (35.000 t x ca. 13,00 €(netto)= 455.000 € pro Jahr zusätzliche Kosten). Wie korrespondieren die steigenden Transportkosten (Anfahrt nach Nettetal, Weitertransport nach Kamp-Lintfort) und die Kosten für das zusätzliche Umladen der Bioabfälle mit den in Aussicht gestellten sinkenden Abfallgebühren?

• Die neue Ausschreibung der Bioabfälle brachte eine deutliche Kostenersparnis ab dem 01.01.2018 für den Kreis Viersen. Warum wurden die Mengen nur für zwei Jahre ausgeschrieben? Wenn durch das Ausschreiben der Abfallmengen aktuell erhebliche Kosteneinsparungen zu realisieren sind, warum nutzt man die aktuelle Preisphase nicht, die Kosten langfristig auf niedrigem Niveau festzuschreiben?

• Wer trägt die Kosten und das unternehmerische Risiko für die geplante Vergärungsanlage in Kamp-Lintfort? Wie gestaltet sich die finanzielle Beteiligung des Kreises Viersen an diesem ca. 30 Millionen Euro teuren Projekt?

• Es wird behauptet, durch die eigene Umladestation des Kreises würde mehr Wettbewerb entstehen. Wie sieht der Wettbewerb zukünftig beim Bioabfall aus?
Gemeinsam mit dem Kreis Wesel wurde ein Abfallzweckverband gegründet. Das bedeutet, dass zukünftig 35.000 t/a Bioabfall über den Umweg Nettetal durch den Zweckverband in die Biovergärungsanlage nach Kamp Lintfort gefahren werden. Die Mengen müssen durch den Zweckverband nicht mehr ausgeschrieben werden. Die Bioabfallmengen werden also dem freien Wettbewerb entzogen. Wie können den Bürgern dann sinkende Gebühren versprochen werden, wenn es in Sachen Bioabfall anstatt mehr, gar keinen Wettbewerb mehr gibt? Wer trägt das Risiko eventuell steigender Kosten (Löhne, Wartung, Reparaturen,…) des Betriebes in Kamp Lintfort?

• Sollte die Anlage in Kamp-Lintfort nicht genehmigt werden, was soll dann mit den Bioabfällen aus dem Kreisgebiet geschehen?

• Das WLZ wird die erste Ansiedlung im Gewerbegebiet "VeNeTe" sein. Die Einrichtung eines Abfallumladezentrums in einem Gewerbegebiet führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlechterung der weiteren Vermarktungschancen. Die Chance für den Kreis Viersen viele hundert neue Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen wird deutlich verringert. Ansiedlungswillige Unternehmen werden auf andere Standorte auch außerhalb des Kreises Viersen ausweichen. Warum wird dennoch nicht nach alternativen Lösungen gesucht?

• Sind potentielle Käufer von Grundstücken im "VeNeTe" über die Planung des WLZ informiert worden — zumindest bei Grundstücken in der Nähe?

• Flächenintensive Betriebe mit einer geringen Zahl an Arbeitsplätzen sollten keine Grundstücke im "VeNeTe" erhalten dürfen. Warum wurde diese Regelung für den ABV aufgehoben?

• Wie bewerten Sie die Auswirkungen auf die Vermarktung von "VeNeTe" — inklusive ausbleibenden Steuereinnahmen, ausbleibende Kaufkraft für Unternehmen in Nettetal, fehlende Expansionsmöglichkeiten für Unternehmen in Nettetal?

• In allen Anlagen in denen Abfälle behandelt oder umgeladen werden, ist ausnahmslos Ungeziefer (wie z.B. Ratten) ein sehr großes Problem. Das geplante WLZ grenzt unmittelbar an landwirtschaftlich genutzte Flächen (Erdbeer- und Spargelfelder). Die Einkaufsmärkte ALDI und LIDL liegen in unmittelbarer Nähe zum Industriegebiet. Die nächsten Wohnhäuser sind ca. 300-400 m von der Anlage entfernt. Wie will man in Nettetal diesem Problem Herr werden und mit welchen Kosten rechnet der Kreis Viersen hierfür? Wer trägt die anfallenden Kosten speziell im Umfeld der Anlage?

• Die Anlieferungen zum WLZ sollen über die Autobahn A 61 erfolgen. Die Logistikbranche kämpft gegen stetig steigende Kosten und Fahrer werden angewiesen Autobahnen auf kurzen Strecken auf Grund der Mautgebühren wenn möglich zu meiden. Wie soll verhindert werden, dass z.B. beauftragte Subunternehmer, oder kommunale Sammelfahrzeuge den Weg durch Kaldenkirchen nehmen? Wer überprüft vor Ort die Einhaltung der Fahrtrouten?

• Laut Aussagen von Herrn Andreas Budde (1. Betriebsleiter ABV) in der Rheinischen Post vom 04.12.2017 sollen,

1. trotz der Millioneninvestitionen in das WLZ
2. trotz der Millioneninvestitionen in die Biovergärungsanlage
3. trotz der unweigerlich höheren Logistikkosten
4. trotz der vertraglichen Regelungen bis mindestens 31.12.2024 zum Umladen des Restmülls in der Anlage in Viersen-Süchteln
5. trotz der vertraglichen Regelungen zur Entsorgung der Restabfälle bis mindestens zum 31.12.2024 mit den Müllverbrennungsanlagen in Köln und Solingen,

Einsparungen in Millionenhöhe zu realisieren sein. Welche Summe ist dies genau und über welchen Zeitraum sind diese Einsparungen möglich? Einsparungen in welcher Höhe können den Bürgern im Kreis Viersen garantiert werden? Gibt es hierzu belastbare Zahlen, die der Bürger einsehen kann?

Sehr geehrter Herr Dr. Andreas Coenen, dies ist nur ein Auszug der Fragen und Bedenken, die die Bürger nicht nur in Nettetal, sondern im ganzen Kreis Viersen bewegen. Wir möchten Sie bitten hierzu öffentlich Stellung zu beziehen. Aus Sicht der Bürger ist die Notwendigkeit des Baus des WLZ nicht nachzuvollziehen. Auch die Stimmen aus der Entsorgungswirtschaft warnen vor einem folgeschweren Fehler für den Kreis Viersen. In den letzten beiden Jahren haben sich die Rahmenbedingungen die zur Entscheidung für den Bau des WLZ geführt haben grundlegend geändert und müssen eine Neubetrachtung der Notwendigkeit und des Bedarfes zulassen.

Wir sehen Ihrer geschätzten Antwort mit großem Interesse entgegen und stehen für einen persönlichen Dialog immer gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag
Claus Albrecht, Sprecher der Bürgerinitiative
"VeNeTe, so nicht!"