Startnummer 26 läuft im Knast

Der Knastmarathon in der Darmstadter Justizvollzugsanstalt zieht Läufer aus aller Welt an. Er hat einen ganz besonderen Ruf. Er wurde ins Leben gerufen, um den Inhaftierten die Resozialisation zu erleichtern.

Axel Zachau aus Waldniel nahm zum ersten mal teil – lassen wir ihn sprechen.

Schon vor dem Einlass morgens um 8.30 Uhr merkte ich, dass hier eine andere Atmosphäre herrschte – ganz als bei anderen Läufen. Ein sehr lautes Schweigen lag vor den Mauern der JVA. Es wurde weniger gelacht, weniger geredet. In Zehnergruppen gingen wir durch das Tor – und sofort wurde hinter uns wieder abgeschlossen. Ich gab Schlüssel, Handy und Personalausweis ab. Der einzige Rückweg in die Freiheit bestand in einem Bändchen, welches ich erhielt. Ein Bändchen, dessen Verlust schwere Folgen haben könnte. Metalldetektoren und Durchleuchtungen, ein Drogensuchhund … und immer wieder Türen, die vor einem auf- und hinter einem wieder abgeschlossen wurden. Vor den Fenstern Gitter – überall Gitter. Ein mulmiges Gefühl.

Dann die ersten Schritte auf dem „freien“ Gelände. Es waren Grünflächen – vereinzelt sind ein paar Bäume zu sehen und wieder Gitter und Kameras. Ich ging zur Anmeldung und erhielt eine Tüte mit der Startnummer und einem personifizierten T-Shirt – ebenfalls mit der Startnummer. Mit dieser Nummer – in meinem Fall die 26 – waren alle Gegenstände versehen, die für den Lauf relevant waren.

Endlich um 10 Uhr Startfreigabe durch eine Startfahne, da in einem Gefängnis kein „Schuss“ erfolgt – 42,195 Kilometer, aufgeteilt in 24 Runden. Am Startpunkt reichten Inhaftierte Bananen und Getränke.

Am Ende war es für mich der Lauf, indem ich fünf Minuten schneller war, als je in meinem Leben über diese Distanz. Bei 3:38,39 Stunden blieb der Zeiger der Uhr stehen, ich konnte die Medaille in Empfang nehmen.

Dann ein bewegender Moment: die Siegerehrung. Sie war aufgeteilt in Frauen, Männer und Inhaftierte. Die weibliche Siegerin – eine blinde Frau aus der Schweiz, erhielt schon sehr viel Applaus. Aber das war nichts gegen den Applaus, den die drei besten Inhaftierten erhielten. Sie waren angekündigt worden mit der Option, dass der ein oder andere vielleicht nicht auf die Bühne kommen wollte und das dieser Wille auch respektiert werden sollte. Der Applaus schien nicht enden zu wollen – und sie gingen alle drei auf die Bühne . Aber sie wussten eines – in dem Moment waren sie Läufer unter Läufern – und das war gut so.

(Report Anzeigenblatt)