Tomaten-Glück im Unglück

Kurz vor 22 Uhr am vergangenen Freitagabend: Die Anwohner des Deller Wegs, die nach einem heißen Tag noch im Garten sitzen, nehmen den herannahenden Regionalexpress kaum wahr.

Auch, dass der Regionalexpress hupt, ist für die Anwohner des Deller Wegs nichts Besonderes. Denn, so erzählt eine Anwohnerin später, es komme häufiger vor, dass sich Fußgänger oder Radfahrer noch um die schon geschlossenen Halbschranken herumdrängeln und über die Schienen laufen oder fahren.

Diesmal aber folgt ein Knall. Der 54-jährige Fahrer eines Tomatenlasters, der von den Niederlanden aus auf dem Weg nach Polen ist und sich verfahren hat, setzt sein 18 Meter langes Gefährt zurück. Er hat gerade den Bahnübergang überquert und ist dann nach rechts abgebogen. Jedenfalls hat er damit begonnen – und nach wenigen Metern gemerkt, dass geradeaus die richtige Wahl gewesen wäre. Allerdings hat er beim Rückwärts-Setzen nicht bemerkt, dass sich die Halbschranken gesenkt haben.

Der 40-jährige Fahrer des RE 13, der auf dem Weg nach Venlo ist, leitet eine Notbremsung ein - zu spät. Der Zug erfasst das Heck des Kühl-Lkw, schleift den Laster einige Meter mit und kommt deutlich später zum Stehen.

Der Lokführer, der Lkw-Fahrer und sein Beifahrer sowie die etwa 20 Fahrgäste kommen mit dem Schrecken davon. Die Feuerwehr rückt an, sichert die Unfallstelle und leuchtet sie aus. Für die Passagiere heißt es zunächst: Im Zug warten. Für sie wird später ein Bus bereitgestellt, um sie noch an ihr Ziel zu bringen. Der Dülkener Abschleppdienst Bröker birgt den schwer beschädigten Lkw, der Zug kann später aus eigener Kraft ganz langsam Richtung Venlo rollen. Insgesamt schätzt die Polizei den Schaden auf mehr als 100.000 Euro. Die etwa 15 Tonnen Tomaten, die der Lkw geladen hatte, sind bei dem Aufprall durch den Auflieger geschleudert worden. Sie sollen entsorgt werden. Am nächsten Morgen stellt sich auf dem Gelände des Abschleppunternehmens dann heraus, dass doch etliche Früchte den Unfall überstanden haben. Schnell finden sich freiwillige Helfer, die sortieren – die Guten in Kisten, die Schlechten in den Müll-Container. Und so dürfen sich die Kinder im Bethanien-Kinderdorf in Schwalmtal in dieser Woche über die verschiedensten Tomatengerichte freuen.

Kinderdorfmutter Marlene Altevers, die mit Kindern und Mitarbeitern gekommen ist, um die Tomaten abzuholen, hat spontan die Speisezettel in den 16 Häusern des Kinderdorfs umgestellt. „Bolognese, Tomatensalat und selbstgemachter Ketchup“, zählt sie auf, was es geben wird.

(StadtSpiegel)