Wo der liebe Gott wohnt

Sonnenstrahlen schimmern in Regenbogenfarben durch die wunderschönen Kirchenfenster, alles ruhig, kein Lärm von draußen. „Herr, ich liebe die Stille deines Hauses“, hat ein Kirchenbesucher aufgeschrieben.

Nachzulesen ist das im Gästebuch, das jeden Donnerstagmorgen aufgeschlagen im Gang zum Altar in der evangelischen Kirche Kaldenkirchen steht: „Zeit zur Stille, Zeit zum Gebet“ heißt das Motto der Aktion offene Kirche.

Diese Zeit nehmen sich etliche Menschen. Machen vielleicht einen Abstecher vom donnerstäglichen Marktbummel. Kommen zufällig an dem einladenden Plakat vorbei. Oder gehen gezielt zur Hofkirche. „Einige Besucher sind fast jeder Woche da, manche schreiben was ins Gästebuch, andere sitzen einfach still in der Bank“, weiß Manfred Wintzen.

Der frühere Presbyter der Kirchengemeinde ist Mitinitiator der Aktion, wechselt sich mit anderen Ehrenamtlern ab, die donnerstags die Kirchentür auf- und später wieder abschließen, sich in der Zeit dazwischen dezent im Hintergrund halten. Nach Wintzens Eindrücken findet solche eine Aktion, sonst eher in Großstädten Usus, auch hier im ländlichen Raum immer mehr Anklang und Zulauf: „Da ist bei manchen Menschen offensichtlich eine Sehnsucht, zu beten oder einfach abzuschalten.“

Gebete stehen etliche im Gästebuch. Wünsche und Bitten natürlich auch, adressiert an den „lieben Gott“, zu dem die offene Tür Zugang gewährt: „Gib mir die Kraft, alles, was mir im Moment zu viel ist, ertragen zu können“, formuliert jemand seine eindringliche Bitte und schildert ausführlich seine schwierige Lebenssituation.

„Ich möchte, dass du mir meinen Vater wiederbringst“, steht in Kinderschrift zu lesen. Jahrelang sei der Papa schon weg, und es wäre ein Traum, wieder von ihm ins Bett gebracht zu werden. Dafür, so das Kind, würde es auch fleißig lernen, später einen Beruf ergreifen, damit der Papa stolz sein könne.

Hier, in dieser wohltuenden Stille im Kircheninnern, in dieser sakralen Idylle scheint der liebe Gott zu wohnen, zu Hause zu sein. „So direkt würde ich es vielleicht nicht formulieren, aber zumindest suchen die Menschen hier seine Nähe oder zumindest Ruhe“, sagt Küsterin Heike Zeller.

(StadtSpiegel)