Demenz geht uns alle an

Vom 18. bis 24. September findet die Woche der Demenz statt. Am 21. September ist Welt-Alzheimertag, um die Öffentlichkeit auf die Situation von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen aufmerksam zu machen.

Der Extra-Tipp sprach mit Dr. Timm Strotmann-Tack, Chefarzt Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik Viersen, über das Krankheitsbild.

Viersen. Was ist eigentlich Demenz?

Demenz bedeutet Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit, die dazu führt, dass Gedächtnis und Alltagskompetenzen mit der Zeit verloren gehen. Sie gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter, wir sprechen hier meist von Menschen ab 65 Jahren und älter.

Welche Erkrankungen werden durch Sie generell behandelt?

In unserer Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik Viersen behandeln wir ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wir unterscheiden zum einen zwischen affektiven Störungen wie beispielsweise Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen oder Psychosen und zum anderen Demenzen mit ihren verschiedenen Formen von Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit und Verhaltensauffälligkeiten.

Wer hat nicht schon einmal den Schlüssel verlegt? Ab wann spricht man von Demenz und nicht von einer „normalen“ Vergesslichkeit im Alter?

Wenn der Schlüssel später nicht im Kühlschrank liegt, ist alles in Ordnung. Ein klares Symptom für die Alzheimer-Demenz ist beispielsweise das Verlegen von Sachen, die später an einer völlig unüblichen Stelle wiedergefunden werden. Namen oder Termine werden vergessen. Betroffen ist in erster Linie das Kurzzeitgedächtnis, an Dinge, die lange zurückliegen, können sich die Erkrankten häufig noch gut erinnern. Die Symptome fallen meistens zuerst dem Umfeld auf, die Selbstwahrnehmung, dass etwas nicht stimmen könnte, ist bei vielen älteren Menschen nicht immer vorhanden.

Welche Formen von Demenz gibt es?

Die Alzheimer-Demenz ist am weitesten verbreitet, rund drei Viertel aller Demenzkranken leiden darunter. Die zweithäufigste Form ist die vaskuläre, also gefäßbedingte Demenz. Sie entsteht in Folge einer Störung der Blutversorgung des Gehirns. Dann gibt es aber auch noch weitere Demenzformen wie eine medikamentös bedingte Demenz, eine stoffwechselbedingte Demenz oder eine Demenz infolge eines Tumors.

  • Dr. Timm Strotmann-Tack, Chefarzt der Abteilung
    LVR-Klinik Viersen : Demenz: Vorurteile abbauen
  • Der Initiativkreis 27. Januar (v.l.): Gisela
    Gedenkveranstaltung : Den Opfern einen Namen geben
  • Pain Nurse Ursula Gehring und Klaus
    LVR-Klinik für Orthopädie Süchteln : Schmerz lass nach

Manche Formen der Demenz sind gut behandelbar, es macht also immer Sinn, einen Arzt zu konsultieren und sich in die Diagnostik zu begeben. Und zwar so früh wie möglich.

Wie sinnvoll ist der Einsatz von Medikamenten?

Heute gibt es schätzungsweise 1,6 Millionen Demenzkranke. Im Jahr 2050 sollen es drei Millionen sein. Von der Diagnose Demenz und den ersten Symptomen bis zum Ableben des Betroffenen an den Folgen der Erkrankung vergehen durchschnittlich sieben bis zehn Jahre. Medikamente können die Alzheimer-Krankheit nicht heilen, aber sie können das Fortschreiten der Demenz aufhalten.

Wie kann ich vorbeugen?

Ganz wichtig: Dem Gehirn immer etwas zu tun geben, damit es lange leistungsfähig bleibt. Aber auch ein gesunder Lebensstil ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um die Vorbeugung von Demenz geht, also sportliche Betätigung, gesunde Ernährung, und ausreichend Schlaf.

Ich habe den Verdacht, dass bei mir im Kopf etwas nicht stimmt. Wie läuft eine Untersuchung bei Ihnen ab?

Dazu kommen die Betroffenen am besten zu einer ambulanten Untersuchung in das Gerontopsychiatrische Zentrum an der Oberrahserstraße in Viersen. Bei einem ersten Gespräch frage ich zunächst den Patienten, welche Beschwerden ihn zu mir geführt haben. Dann stelle ich zum Beispiel eine Reihe von Orientierungsfragen, etwa welches Datum wir haben, wie alt der Betreffende ist, wie unsere Bundeskanzlerin heißt, was ein Pfund Butter im Supermarkt kostet usw. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von neuropsychologischen Tests, mit denen sich der Grad der Demenz feststellen lässt.

Wann sind Demenzkranke ein Fall für die Klinik?

In jedem Stadium der Demenz gibt es Patienten, die gar kein Fall für unsere Klinik sind, die also nicht stationär behandlungsbedürftig sind. Das hängt immer davon ab, ob es im Alltag Dinge gibt, mit denen der Betroffene sich oder andere gefährden könnte bzw. wenn das eigenverantwortliche Handeln nicht mehr vorhanden ist. Es kann bei Demenzkranken aber auch dazu kommen, dass sie sich aggressiv zeigen, sie legen sogenannte herausfordernde Verhaltensweisen an den Tag. Hier müssen wir herausfinden, woran das liegt. Gibt es beispielsweise körperliche Ursachen oder ist der Patient depressiv?

Welche Fortschritte konnten in der Behandlung von Demenz-Patienten erzielt werden?

Es gibt immer wieder neue Ideen, woher Demenz kommen könnte. Diese Theorien sind aber alle nicht wissenschaftlich belegt. Ich glaube, der größte Fortschritt ist, dass Demenz in der Gesellschaft angekommen ist.

Hier bei uns auf dem Gelände in Süchteln entsteht ein neues, modernes Stationsgebäude, in das auch der Fachbereich Gerontopsychiatrie ziehen wird. Damit wollen wir den veränderten Bedürfnissen Demenzkranker Rechnung tragen. Daneben gibt es auch noch unsere Gerontopsychiatrische Tagesklinik, die Ambulanz und die Beratungsstelle an der Oberrahserstraße 2. Hier finden auch Angehörige von Demenzkranken Rat und Hilfe. Herzlich eingeladen sind alle Interessierten, am 18. Oktober zum Tag der offenen Tür im Gerontopsychiatrischen Zentrum an der Oberrahserstraße vorbeizukommen und sich von den Angeboten einen persönlichen Eindruck zu machen.

Haben Sie einen Tipp, wie man mit einem Demenzkranken umgehen sollte bzw. was man falsch machen kann?

Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es nicht immer leicht ist herauszufinden, wie es den Betroffenen geht. Die Sprache kann bei fortschreitender Erkrankung verloren gehen. Ich versuche offen auf die Patienten zuzugehen. Angehörige machen häufig den Fehler, korrigierend eingreifen zu wollen. Ich höre immer wieder die Worte „Du kannst das nicht“ oder „Das geht so nicht“. Besser ist es, auf die Wünsche des Demenzkranken im Rahmen seiner noch erhaltenen Fähigkeiten einzugehen. Ein verständnisvolles und unterstützendes Drumherum ist meist das Wichtigste.

(Report Anzeigenblatt)