Ein Ort, wie kein anderer

Im historischen Petershaus hat Susanne Löhnig eine ganz besondere kreative Oase geschaffen: das "MalOrtWerk".

Tritt man ein in Susanne Löhnigs "MalOrtWerk", fühlt man sich sofort heimisch. Sieht man nach links, verspürt man gleich den Wunsch zur Werkbank zu treten, Werkzeug in die Hand zu nehmen und etwas zu erschaffen. Schaut man nach rechts, wird der Blick sofort magisch durch die hohen weißen Flügeltüren gezogen. Wie ein überdimensionales geometrisches Kunstwerk ziehen sich leuchtende Farben in markanten Linien über die hohen Wände des 20 Quadratmeter großen Raumes.

 Mitte März fand im MalORTWerk von Susanne Löhnig das zweite internationale MalORT-Treffen statt. Mit 23 Kolleginnen und Kollegen tauschte sie sich ein Wochenende lang aus. Zu Gast war auch Bürgermeisterin Sabine Anemüller.
Mitte März fand im MalORTWerk von Susanne Löhnig das zweite internationale MalORT-Treffen statt. Mit 23 Kolleginnen und Kollegen tauschte sie sich ein Wochenende lang aus. Zu Gast war auch Bürgermeisterin Sabine Anemüller. Foto: Privat

Der helle Holzboden und die warmes Tageslicht verströmenden Lampen setzen den genau in der Mitte des Raumes stehenden "Palettentisch" mit seinem Regenbogen an Farben und bereitliegenden Pinseln perfekt in Szene. Man möchte nichts lieber, als einen Malkittel von der Tür greifen, ein Blatt Papier an die Wand heften und seiner Kreativität freien Lauf lassen.

 Durch die hohen weißen Flügeltüren geht es in den MalOrt nach dem Vorbild von Arno Stern.
Durch die hohen weißen Flügeltüren geht es in den MalOrt nach dem Vorbild von Arno Stern. Foto: Andreas Baum

Die Größe des Raumes, die Lampen, die Wände, die Anzahl und Auswahl der Farben und Pinsel, die Größe des Tischs: nichts ist dem Zufall überlassen — allem liegen feste Regeln zu Grunde. Regeln, so betont Susanne Löhnig, die es braucht, um sich ganz dem Malspiel im MalOrt hinzugeben. Um ganz frei, abseits jeglichen Leistungs- und Vergleichsdrucks, ganz ohne Vorgaben, ohne Bewertung und ohne Angst sein eigenes, ursprüngliches Potenzial wieder zu entdecken.

Die Idee des Malortes geht auf Arno Stern (von der UNESCO anerkannter Pädagoge und Forscher) zurück. Im Jahr 1924 geboren, flieht er 1933 mit seiner Familie vor den Nazis. Nach Jahren auf der Flucht verschlägt es ihn nach dem Krieg schließlich nach Paris, wo er in einem Heim für Kriegswaisen eine Stelle annimmt. Die Kinder in seiner Obhut lässt er frei malen und stellt fest, wie schnell sie in ihrer Tätigkeit versinken. Sie beginnen, vor sich hin zu singen, zu erzählen und ganz selbstvergessen ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Vom Tisch angefangen, breiten sich die kleinen Maler auf dem Boden, an den Wänden und über den Fenstern aus: der erste MalOrt ist geboren und auch die Urversion des Palettentisches entsteht hier. Auf seinen späteren Reisen um die Welt entdeckt Stern eine "universale Schrift, die wir alle in uns tragen, bevor das Auge überhaupt ausgereift ist", erklärt Susanne Löhnig. Den Wunsch, diese wieder zu entdecken, erfüllen Arno Stern, Susanne Löhnig und Kollegen an den über 150 MalOrten weltweit.

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Susanne Löhnig ist von Hause aus eigentlich Diplom-Ingenieurin. Sie studierte Architektur und ist Stadtplanerin. Nach der Geburt ihrer drei Kinder schlägt sie jedoch einen neuen Weg ein. Sie beginnt Kunstkurse für Kinder anzubieten, bildet sich intensiv weiter.

"Doch irgendwas fehlte immer", blickt sie zurück. Sie war sich sicher: "Da muss es noch etwas anderes geben." Etwas, das ohne Anspruchsdenken, ohne Bewertung und Analyse auskommt.

Im Zuge ihrer Recherchen entdeckt sie schließlich Arno Stern und seine Idee des MalOrtes. "Das, was ich als Gefühl hatte, hat er in Worte gefasst." Sie machte sofort Nägel mit Köpfen und meldete sich für die Ausbildung bei Stern "zur dienenden Rolle im Malspiel" an. "Mit Blick auf sein Alter wollte ich auf keinen Fall die Chance verpassen, ihn kennen zu lernen und von ihm zu lernen."

In Sterns Ideenwelt, die unsere inneren Bilder nach außen tragen möchte und uns somit zu uns selbst finden lässt, fühlte sich Susanne Löhnig sofort zu Hause. In den Räumlichkeiten des Petershauses, die sie seit 2013 als MalORTWerk nutzt, spürt man den Geist Sterns. Nicht nur im MalOrt, sondern auch im Werkbereich und in der neuen Bildhauerwerkstatt, die sich hinter dem Atelier in der ehemaligen Garage versteckt.

Die Gruppen, die hier gemeinsam malen, spiegeln letztlich unsere Gesellschaft wider. "Von drei bis 90, ob mit Einschränkungen oder ohne, egal welcher Background: der MalOrt ist geschützter Raum, in dem sich jeder frei entfalten kann", betont Löhnig. Sie nimmt den Malern alles ab, was vom Malspiel ablenken könnte. "Irgendwann kommen die Teilnehmer an den Punkt, an dem sie sagen 'ich weiß nicht mehr, was ich malen soll'", erzählt Susanne Löhnig mit einem verschmitzten Lächeln, "das ist der Moment, an dem die 'äußeren Bilder' versiegen und der Weg zu den inneren Bildern frei gemacht wird. Dann geben sie sich ganz dem Malspiel hin."

(Report Anzeigenblatt)