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Immer mehr Menschen wenden sich an die Schuldner- und Insolvenzberatung

Aktionswoche Schuldnerberatung : „Immer auch eine menschliche Katastrophe“

Immer mehr Menschen wenden sich an die Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes für die Region Kempen-Viersen. In allen sozialen Schichten nehme die Verschuldung zu, sagt die Caritas.

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie wächst die Zahl verschuldeter Menschen weiter. Im Jahr 2020 haben die Berater*innen  der Caritas 1.873 Klienten aus Viersen, Schwalmtal, Brüggen und Niederkrüchten unterstützt – das waren erneut rund 200 mehr als im Jahr davor. „Dieser Trend hat auch in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres angehalten. In allen sozialen Schichten nimmt die Verschuldung zu, und wir befürchten, dass die Pandemie weitere Menschen in die Überschuldung oder sogar die Insolvenz treibt“, erklärt Annika Schuhmacher, Bereichsleiterin beim Caritasverband. Es drohten nun auch Menschen in Verschuldung zu geraten, „die das vorher niemals für möglich gehalten hätten“.

Schon vor Corona habe sich die Klientel verändert, berichtet Schuldnerberaterin Elisabeth Mankertz. Seit einigen Wochen berät sie eine Frau, deren Geschichte stellvertretend für viele andere steht. Die Klientin und ihr Mann, beide in den Vierzigern, haben sich kürzlich im Streit getrennt. Der Mann ist aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen, in dem sie mit den drei Kindern bleiben möchte. Sie arbeitet in Teilzeit, allerdings nicht im erlernten Beruf. Der Mann zahlt weder Unterhalt noch die Raten für den Immobilienkredit. „Das ist aktuell eine ganz kritische Phase, denn es besteht die Gefahr, dass die Bank die Kredite kündigt“, sagt Elisabeth Mankertz.

Gemeinsam mit der Frau hat sie die Situation analysiert. Bald wird es ein Gespräch mit der Bank geben, bei dem Mankertz die Klientin begleitet. „Wenn wir die momentane Situation überbrücken können, hat sie langfristig eine gute Perspektive“, sagt die Schuldnerberaterin.

Für Elisabeth Mankertz und die anderen Mitarbeitenden der Schuldner- und Insolvenzberatung zählt „der Mensch hinter den Schulden“, wie es auch das Motto der Aktionswoche Schuldnerberatung (7. bis 11. Juni) ausdrückt. „Als soziale Schuldnerberatung haben wir den gesamten Menschen in seinem Umfeld im Blick. Verschuldung ist immer auch eine menschliche Katastrophe“, erläutert Annika Schuhmacher. So fallen in der Beratung auch viele andere ungelöste Probleme auf. Die Mitarbeitenden verstehen sich als Lotsen, die den Menschen Wege aufzeigen, um deren Lebenssituation zu verbessern. Darüber hinaus arbeitet die Caritas-Schuldnerberatung mit anderen Organisationen sowie Behörden zusammen.

Viele Klienten seien psychisch krank, andere hätten Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Krebserkrankungen erlitten, berichtet Elisabeth Mankertz. Unter den Ratsuchenden sind immer mehr ältere Menschen. Grundsätzlich aber gelte: „Verschuldung kann jeden treffen, und in diesen Zeiten erst recht.“ Deshalb fordert der Caritasverband, dass Schuldnerberatung auch für gewerbliche Klienten kostenlos sein müsse. „Der durch Corona in finanzielle Schwierigkeiten geratene Gastwirt, Maler oder Messebauer hat offiziell niemanden, der ihn kostenneutral berät“, sagt Annika Schuhmacher. Um diese Arbeit leisten zu können, gibt es noch keine Finanzierung, die Schuldnerberater benötigen entsprechende Fortbildungen, zudem müssten die Beratungsstellen personell aufgestockt werden.

Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Caritas kann man unter www.caritas-viersen.de/hilfe-beratung/schuldnerberatung kontaktieren.