: Land unter ... versorgt

Die Idylle war perfekt inszeniert. Die Titelmusik kam von James Last, das Drehbuch von Herbert Lichtenfeld, Drehort war das schnieke, aber doch fiktive Deekelsen im hohen Norden der Republik. Dort heilten die Landärzte Dr. Mattiesen, Dr. Teschner und Dr. Bergmann so gut wie jede Krankheit und jeden anderen Kummer.

Das kleine Dörfchen Deekelsen ist gut versorgt. Das kann man vom Kreis Viersen nicht behaupten. Im Kreismonitoring kommen im Jahr 2017 62,5 Hausärzte auf je 100.000 Einwohner im Kreis Viersen. Die Stadt Mönchengladbach steht ein wenig besser da (67,3), Krefeld noch besser (76,8), der Kreis Kleve hinkt hinterher (56,1). Alles gut?

Nein. Abgesehen davon, dass die Hausärzte im Kreis Viersen immer älter werden, finden sich auch immer weniger Nachfolger für die Ärzte, die ihre Laufbahn beenden. Für den Kreis Viersen ist eine gute Versorgung mit Hausärzten eine wichtige Zukunftsfrage. Man will einen Beitrag zur ambulanten Gesundheitsversorgung im Kreisgebiet leisten. Aber: Schon heute gibt es im Kreis zahlreiche freie Arztsitze. Die Befürchtung: Weitere werden hinzukommen, Engpässe zeichnen sich bereits jetzt ab.

Mit der Fachtagung „Diagnose Hausarztmangel“ am Mittwoch, 20. November, will die Kreisverwaltung Wege zur Sicherung der ambulanten Grundversorgung aufzeigen. Ab 15 Uhr ist die Diskussionsrunde im Forum des Kreishauses für das Publikum geöffnet.

Warum zögern ausgebildete Ärzte, sich mit einer Praxis im ländlichen Raum niederzulassen? Spielt das Geld die entscheidende Rolle? Hat man studiert, um mehr als nur bei der Oma Fieber zu messen und vielleicht noch den Blutzucker zu bestimmen?

Nein, der Hausarzt oder auch Landarzt, ist unverzichtbar. Oft genug hält er die Gesundheitsfäden der Patienten in der Hand. Klaus Eirmbter, stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein (Kreisstelle Viersen) mit Praxis in Hinsbeck, weist daraufhin, dass die Land-Stadt-Flucht nicht nur im Ärzteberuf zu beobachten sei. Aber zugegeben: Der Arzt in der Stadt habe vielfältigere Möglichkeiten, seine Leistungen honoriert zu sehen, weil das Klientel einfach ein anderes sei.

Der Allgemeinmediziner sagt auch: „Der Hausarzt an sich wird immer weiblicher.“ Möglicherweise habe das auch einen Einfluss auf die Standortwahl der Praxis, da auch der Berufsort des Mannes eine Rolle spielt. Klaus Eirmbter hat einen Lösungsansatz: „Die Krankenkassen sollten den Wert der Leistungen des Hausarztes mit dem anderer Fachrichtungen gleichsetzen.“

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Auf dem Portal „Operation Karriere“ wird der Allgemeinmediziner aufgelistet mit einem durchschnittlichen Reinertrag seiner Praxis in Höhe von 14.333 Euro. Davon müssen noch Kredite für beispielsweise Praxisübernahme und Geräteanschaffungen, Einkommensteuer, Kranken- und Rentenversicherung abgezogen werden. „Das ist von Standort zu Standort natürlich verschieden“, sagt Klaus Eirmbter, aber über ganz Deutschland eher zutreffend. Der Augenarzt wird im oben genannten Portal jedoch mit einem Reinertrag von etwa 20.750 Euro geführt.

Kann der Hausarzt entlastet werden? Vor gut einem Jahr hatte der Deutsche Ärztetag die Möglichkeit der telemetrischen Behandlung auf den Weg geschickt. Mit anderen Worten, die Videosprechstunde ist grundsätzlich möglich. Das spart Wege und Zeit für den Patienten. Ist aber so eine flächendeckende Versorgung durch den Hausarzt gegeben?

Diskutiert und getestet wird auch, dass eine so genannte Gemeindeschwester zur ersten Anlaufstelle wird. Sie, geschult wie sie ist, hilft bei den kleineren Weh-Wehchen, kann einerseits beruhigen, andererseits im Ernstfall Alarm schlagen. Diese Idee hatte man schon zu Beginn der 50er Jahre in der ehemaligen DDR. Hier ist eine Entlastung der Landärzte, beispielsweise wie Hausbesuchen, schon auf den ersten Blick einleuchtend. Klaus Eirmbter würde die Kompetenz dennoch lieber beim Arzt sehen, lieber eine geschulte Fachkraft aus seiner Praxis zur medizinischen Versorgung, beispielsweise zu den Hausbesuchen, schicken.

In Brüggen haben sich mehrere Ärzte unterschiedlichster Fachrichtungen zu einem Ärztezentrum zusammengeschlossen. Ziel ist, die medizinische Grundversorgung sicher zu stellen, vor allem bei älteren Menschen. Der Hauptsitz befindet sich in Brüggen, weitere Standort findet man in Bracht und in Boisheim. Mit dem Standort Waldniel entstand schließlich das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Schwalm-Nette. In diesem Beispiel soll also die Bündelung der verschiedenen Fachrichtung für Struktur sorgen.