1. Städte
  2. Viersen
  3. Meine Heimat
  4. Westkreis

Niederkrüchtens Bürgermeister Winzen: „Blicken auf dunkles Kapitel“: Gedenken nach 70 Jahren

Niederkrüchtens Bürgermeister Winzen: „Blicken auf dunkles Kapitel“ : Gedenken nach 70 Jahren

Mathias Sevenich und Jan Tobben wären heute 86 Jahre alt. Sie durften nie erwachsen werden, starben in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 1944 im Lüsekamp, erschossen von Soldaten der deutschen Wehrmacht.

Mit 16 Jahren waren sie die jüngsten von insgesamt 14 Männern, die in dieser eisigen Nacht von Roermond aus in die Heide getrieben wurden, sich dort ihre eigenen Gräber schaufeln mussten und umgebracht wurden. Diese 14 Männer wollten sich nicht in die Zwangsarbeit schicken lassen, versteckten sich und wurden verraten. Deshalb mussten sie sterben – zur Abschreckung für andere. 3.000 Menschen traten am 30. Dezember 1944 den Weg in die Zwangsarbeit an. Von Roermond aus zu Fuß nach Dülken, von dort aus in Zügen in alle Himmelsrichtungen. Viele sahen ihre Heimat niemals wieder. Das „Comite Voettocht 30 december“ organisiert seit vielen Jahren am 30. Dezember einen Gedenkmarsch, von Roermond aus ins Lüsekamp, wo die Männer erschossen wurden. Seit 1996 steht dort auch ein Stein mit der Inschrift „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung“. Alljährlich werden hier 14 Kerzen angesteckt, für jedes Opfer eine. Teilweise sind es Angehörige, so wie bei Mathias Sevenich, die diese Kerze anzünden. Aber auch Mitglieder des Comites, Niederkrüchtens Bürgermeister Herbert Winzen und sein Roermonder Kollege Gerard IJff zünden Kerzen an. Vier Männer sind noch dabei, die selbst am 30. Dezember 1944 den Marsch in die Zwangsarbeit antreten mussten. Sie entzünden die erste Kerze – für Loodewijk Claassens, damals 19 Jahre jung.

Unter ihren Füßen knirschen die letzten Reste des tauenden Schnees, der Wind pfeift – wie fast immer – kalt über die Heide.

„Wir blicken auf ein dunkles Kapitel, das uns mit Trauer, Scham und Entsetzen erfüllt“, sagt Bürgermeister Winzen. Es sei „nicht selbstverständlich, wie wir heute leben“. Es gelte, Freiheit und Demokratie hochzuhalten, die Welt brauche Menschen, die nicht wegschauen, sondern sich einsetzen für die Freiheit.

Der Weihbischof von Roermond, Monsignore Everard de Jong spricht von Einfühlungsvermögen, von Vergebung und Versöhnung. Von dem, was die Männer durchlitten haben – zu laufen, zu wissen, dass es die letzten Meter sind, das Grab zu schaufeln, das das eigene werden soll.

Es sei nicht die Kälte der Dezembernacht, sondern die Kälte, mit der es geschehen sei, die auch nach 70 Jahren die Menschen noch frösteln lasse.

Die letzte Kerze, die 14., ist wie in jedem Jahr für Frans, den polnischen Partisanen, der unter den Erschossenen war, und von dem noch nicht einmal der Nachname überliefert ist.

(Report Anzeigenblatt)