„Man soll immer Zeuge sein!“

Zum Holocaust-Gedenktag in Schwalmtal haben sich die Waldnieler Europaschüler Gedanken gemacht, wo Menschen schweigen, wenn Unrecht geschieht — und was damals in Hostert geschehen ist.

Jedes Jahr am 27. Januar wird der Holocaust-Gedenktag begangen. Auch in Schwalmtal. Denn in Hostert starben während der NS-Herrschaft über 500 Menschen — vernachlässigt, verhungert, vergiftet, vergast.

Als St. Josefsheim für Behinderte war das Gelände seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt. Zwischen den dortigen Bewohnern und den umliegenden Dörfern gab es einen regen Austausch. Ab 1937 waren die Gebäude dann Außenstelle der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Süchteln. Mit dem Euthanasie-Erlass Hitlers am 1. September 1939 begann das Töten.

Seit 1988 ist der Friedhof Gedenkstätte für die Opfer dieses nationalsozialistischen Euthanasie-Programms. Die Patenschaft diese Gedenkstätte hat die Europaschule Schwalmtal übernommen. Alljährlich gestalten die Schüler die Feierlichkeiten zum Holocaust-Gedenktag. Weil der 27. Januar in diesem Jahr auf einen Samstag fiel, fand die Gedenkstunde am darauf folgenden Montag statt. Nicht an der Gedenkstätte selbst, denn die wird gerade umgestaltet und soll im Mai wiedereröffnet werden. Stattdessen hatten die Schüler in die Kirche St. Mariä Himmelfahrt in der Waldnieler Heide eingeladen, die nur einen kurzen Fußweg entfernt liegt. Und diese Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt.

Für die Ansprache hatten sich die Jugendlichen gemeinsam mit ihrer Lehrerin Astrid Symanski-Pape viele Gedanken gemacht. Ausgehend von dem Zitat von Antoine de Saint Exupéry: "Was ich aber am tiefsten verabscheue, das ist die traurige Rolle des Zuschauers, der unbeteiligt tut. Oder ist. Man soll nie zuschauen. Man soll immer Zeuge sein, mittuen, Verantwortung tragen" entwickelten die Schüler ihre eigenen Gedanken zu dem, was in Hostert geschah.

"Man müsste was dagegen machen' — Wie oft sagt man das? Sollten wir uns nicht eher sagen: 'Das kann so nicht richtig sein. Dagegen mache ich was'?" liest eine Schülerin vor.
"Wir messen allen Menschen den gleichen Wert zu, egal wo sie herkommen, wie sie aussehen, welche Erkrankung sie haben", ergänzt ihre Klassenkameradin. Vier weiße Kreuze legen sie am Hochkreuz im Kirchengarten ab, das im vergangenen Jahr noch auf der Gedenkstätte stand. "Vernachlässigt — verhungert — vergiftet — vergast" steht auf den Kreuzen.

Im Anschluss nutzen viele der Besucher der Gedenkveranstaltung die Möglichkeit, einmal zur Gedenkstätte hinüber zu gehen, wo die Umgestaltung fast abgeschlossen ist. An der Gedenkmauer sind die Bronzetäfelchen für die über 500 Menschen, die hier starben und beerdigt wurden, inzwischen angebracht. Ganz links beginnt es mit den Toten von 1939. Wie an einem Zahlenstrahl kann man hier sehen, wer wann starb und wie alt er wurde. Im Frühjahr sollen nun noch die Grünflächen gestaltet werden, für Mai ist die Eröffnung geplant. Im nächsten Jahr zum Holocaust-Gedenktag werden die Europaschüler wieder hier stehen können um der Toten zu gedenken.

(StadtSpiegel)