Weihnacht im Knast

Weihnacht im Knast

Weihnachtszeit ist Besinnungszeit - auch im Knast? Der Stadt Spiegel meldete sich an und sprach im reaktivierten Gerichtsgefängnis an der Scharnhorststraße 1 mit Bereichsleiter André Kessels und Pfarrer Lutz Aupperle.

Der Weg hinein durchs Treppenhaus dauert. André Kessels, 50, schließt hinten ab und vorne auf und wieder ab und die nächste Tür auf - vorbei geht’s an Gittern, die in gewöhnungsbedürftigem Cyan gestrichen sind. „Das konnten wir auf die Schnelle nicht noch ändern“, so Kessels. Der Bau war schon stillgelegt - zu alt und zu teuer der Betrieb. Dann drohte die Justizvollzugsanstalt in Münster einzustürzen und die Häftlinge mussten verteilt werden. In zwei Herbst-Monaten wurde alles hergerichtet - ein Riesenkraftakt. „Aber jetzt läuft’s“, berichtet der Bereichsleiter. Gut 80 Untersuchungshäftlinge sind hier eingesperrt, 128 ist die Obergrenze.

Einmal in der Woche versieht der evangelische Pfarrer Lutz Aupperle, 43, in der Haftanstalt seinen Dienst. Als Zuhörer ist er gerade in diesen Tagen gefragt, „denn die Seelen sind wund.“ Nicht nur wegen der persönlichen Lage, sondern mitunter auch durch das Bewusstsein, was man der eigenen Familie antut. Vom mutmaßlichen Mörder bis zum angeblichen Schwarzfahrer, „wir haben hier die ganze Bandbreite.“ Als Bezugsperson will der Pfarrer „die Menschen hier nicht auf ihre Straftat reduzieren.“ Oft genug hört er Lebensgeschichten. „Auch die Zukunft ist ein großes Thema“, sag er. Die Gefühle der Gefangenen schwanken zwischen Hoffen und Angst. „Alle schmieden Pläne - aber fragen sich auch: Finde ich eine Wohnung oder muss ich vielleicht zurück ins Heim, wo alles wieder von vorne losgeht?“ Konkreter kann Aupperle nicht werden, er muss schweigen, diese Pflicht gilt uneingeschränkt.

Der Justizvollzugsbeamte

André Kessels wird hingegen später dem Besucher eine normale Zelle zeigen, vielleicht acht Quadratmeter, Bett, Schrank, WC hinter einer Sichtblende, und erzählen: „Es gibt Insassen, die verschlafen ihre Haftzeit, aber dann gibt es auch solche, die das eigene Kopfkino nicht in Ruhe lässt.“ Ablenkung täte gut, aber Arbeit gibt es in der Mönchengladbacher Anstalt wenig. Hausarbeit, Essensausgabe, zwölf Arbeitsplätze sind da. Ein Lichtblick: Der Integrationskurs. Die Schulung ist gerade zum ersten Mal zu Ende gegangen, „20 Stunden die Woche, insgesamt 300 Stunden“. Deutsch wird hier gelehrt und Geschichte. „Im Januar gibt es zwei neue Kurse.“

Sprachprobleme sind die eine große Konstante, die andere: Drogenabhängigkeit. Die könnte auch ein Grund dafür sein, dass keine Zelle weihnachtlich geschmückt ist. „Man dürfte schon“. sagt Kessels, aber auch für eigene Bastelwerke sind die Materialien limitiert. „Strohsterne gehen nicht, weil man darin auch etwas verstecken kann.“ Abgesehen von Weihnachten sind nach Aupperles Erfahrungen viele Häftlinge religiös auf der Suche. In der Hauptstelle der Justizvollzugsanstalt in Willich-Anrath schreiben ihn Insassen an und bitten darum, mit ihm gemeinsam in der Kirche beten zu dürfen. Oder: Auf dem Antwortbeantworter fand er die Nachricht eines Ex-Häftlings, der bereits eineinhalb Jahre draußen ist. „Es war gut, dass Sie für mich da waren“, ist darauf zu hören. „Das sind schöne Momente“, sagt Lutz Aupperle, der seine Worte stets wägt. „Begleiten - das ist mein Auftrag.“

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Der Pfarrer und der Justizvollzugsbeamte haben ein gutes kollegiales Verhältnis, aber es gibt auch, was Aupperle „Haltungsverschiedenheit“ nennt. Während er sich für den Menschen stets neu erwärmt, sagt Kessels: „Man wird kalt.“ Das hängt selbstredend mit dem Auftrag zusammen, für Sicherheit zu sorgen, aber auch damit, dass die Zahl der psychisch Auffälligen in den Haftanstalten ständig steigt.

Zum Ende des Besuchs gehen wir noch in den überraschend gemütlichen Kirchensaal, der nach Ansicht der beiden Gesprächspartner zu Weihnachten gut gefüllt sein wird. Glocken läuten vom Band, ein prächtiger Weihnachtsbaum füllt die ganze hintere rechte Ecke aus. Die Spitze steht leicht schräg, was der Pfarrer schlagfertig kommentiert: „Das passt doch gut zur Situation hier.“

Dann werden wieder Türen auf- und zugeschlossen, die Cyan-Gitter tauchen auf, die Pforte fällt ins Schloss, der Berichterstatter sammelt sich und ist - glücklich draußen.

(StadtSpiegel)