: Biografie und Zeitdokument

„Mädchen, steh auf!“ heißt der erste Teil der Biografie von Renate Tippmann, den sie im März 2017 veröffentlicht hat. Jetzt ist der zweite Teil der Lebensgeschichte der früheren Lehrerin und SPD-Politikerin beendet. Unter dem Titel „Mädchen, du schaffst das“ ist das Buch ab sofort erhältlich.

Das erste Buch berichtet von der Kindheit der heute 85-Jährigen in Sachsen in Saupersdorf im Erzgebirge, von der harten Zeit im Zweiten Weltkrieg, in dem ihr Vater starb, der Internatszeit und ihrer Ausbildung zur Lehrerin in der DDR sowie der ersten Lehrerstelle im Voigtland 1953. 1956 lernte sie noch in der DDR ihren späteren Mann Eberhard Tippmann kennen, der kurz darauf aus der DDR floh und dem sie 1957 nach Mönchengladbach folgte. Erneut absolvierte sie ein Lehramtsstudium, bis sie 1959 ihrer erste Lehrerstelle in der Evangelischen Volksschule im Mühlenfeld antrat. Heirat ebenfalls 1959, Umzug nach Willich 1960, Geburt der Tochter Heike 1962, Kauf einer Doppelhaushälfte an der Wilhelmstraße in der Nähe der Schule im Jahr 1964 waren die weiteren Stationen.

Und genau hier setzt der zweite Band der Biografie der bekannten Willicherin ein, der erneut ihre Tochter Heike Kellmann als Co-Autorin zu Seite stand. Hatte die Tochter im ersten Band die vielen in einer Zettelwirtschaft erhaltenen Erinnerungen vor allem strukturiert, stellt sie im zweiten Buch mitunter auch ihre Sicht der Dinge den Erinnerungen der Mutter gegenüber, denn diesmal reicht die Lebensgeschichte bis zum Jahr 1984, dem Jahr, in dem sich Renate Tippmann von ihrem Mann scheiden ließ. „Er ging fremd und trank zu viel Alkohol“, redet die 85-Jährige Klartext, fügt aber hinzu, „zum Scheitern einer Ehe gehören immer zwei.“

Der neue Band der Lebensgeschichte von Renate Tippmann dürfte für die Willicher insofern interessant sein, weil sie darin auch ihren Werdegang zur Vize-Bürgermeisterin der Stadt beschreibt. 1965 ist sie in die SPD eingetreten, weil sie an den verkrusteten Strukturen der damaligen Volksschulen (Trennung von Jungen und Mädchen / Bekenntnisschulen) etwas ändern wollte. Zunächst gründete sie die Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Frauen mit. Lange Jahre war sie Schriftführerin der SPD, bevor sie von 1978 bis 1982 den Parteivorsitz der Willicher Sozialdemokraten übernahm. 1979 wurde sie in den Rat der Stadt gewählt und von 1979 an war sie zehn Jahre lang Vize-Bürgermeisterin. „Das zwei Frauen in Willich das Sagen hatten, hat vielen Männern nicht gepasst“, erinnert sie sich die Ehrenringträgerin der Stadt mit einem verschmitzten Lächeln an ihre gemeinsame Zeit mit der CDU-Politikerin Käthe Franke.

Das erste Buch beeindruckte durch seine schonungslose Ehrlichkeit und die präzisen Milieuschilderungen, die es zu einem Zeitdokument machen. Das lag auch daran, weil die Aufzeichnungen zunächst nur für ihre beiden Töchter – die zweite Tochter Anke wurde 1967 geboren – gedacht waren. Diesen Ton behält das zweite Buch bei, auch wenn diesmal nicht immer alle Namen genannt werden. „Ich wollte immer ehrlich sein, aber nie jemand verletzen“, betont Renate Tippmann.

Am 27. September um 19 Uhr wird sie im Rahmen einer Lesung im KUDL in Neersen, Hauptstraße 81, den zweiten Band ihrer Biografie öffentlich vorstellen.