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Serie "Ich helfe gern": Zu Besuch in der JVA Willich

Serie "Ich helfe gern" : Zu Besuch in der JVA Willich

In unserer Serie "Ich helfe gerne" stellen wir Ihnen in loser Reihenfolge Menschen vor, die sich ehrenamtlich engagieren. Einer von ihnen ist Christian Brüning. Er ist Gefangenenhelfer in der JVA Willich.

Stadt Spiegel-Mitarbeiter Ralf Groschopp begleitete ihn bei einem seiner Besuche.

Das erste Treffen ist ungezwungen und die Atmosphäre locker. Christian Brüning empfängt mich in seiner Viersener Wohnung. Ich nehme auf der gemütlichen Couch Platz, und der Hausherr serviert mir einen dampfend heißen Kaffee.

Der 71-Jährige vermittelt gleich einen äußerst sympathischen Eindruck — freundlich, humorvoll und weltoffen. Nach einem kurzen Kennenlernen wird sein Gesichtsausdruck allerdings ernster. Denn das Thema, über das ich mit ihm sprechen möchte, ist alles andere als lustig.
Der gebürtige Brandenburger ist Gefangenenhelfer in der Justizvollzugsanstalt Willich I.

Früher bei der Bausparkasse - jetzt ehrenamtlich im Gefängnis

Nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit als geschäftsführender Leiter einer bekannten Bausparkasse war Brüning auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Er engagiert sich im Viersener Paulusstift, im Haus Greefsgarten, unterstützt die Aktion "offene Kirche" und setzt sich für die Erhaltung des alten Viersener Friedhofs ein. Die ehrenamtliche Tätigkeit als Gefangenenhelfer trat er auf Vermittlung der Freiwilligenzentrale an. Jede Woche macht er sich auf den Weg nach Willich, um den Gefangenen ein offenes Ohr zu schenken. Die meisten von ihnen haben jeglichen sozialen Kontakt zur Außenwelt verloren. Sie berichten Brüning in den zweistündigen Gesprächen vom Alltag im Knast, von ihren Straftaten, ihrem früheren Leben und ihren Ängsten und Hoffnungen für die Zukunft.

Kaum Kontakt zur Außenwelt

"Man merkt den Jungs an, dass sie dankbar für diese Möglichkeit der Aussprache sind", sagt Brüning. Er berichtet mir von diversen Klienten der vergangenen Jahre. Einer saß wegen Drogengeschäften, ein anderer wegen versuchten Mordes, und ein Dritter wegen einer Sexualstraftat. Wie gebannt lausche ich den Erzählungen von Christian Brüning. Nach gut zwei Stunden verabreden wir ein erneutes Treffen — dieses Mal "hinter Gittern".

Ein paar Tage später ist es dann soweit. Beim Betreten der riesigen Anlage beschleicht mich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Die Türen öffnen sich nur auf Knopfdruck eines Beamten. Die unüberwindbar wirkenden Mauern und Zäune sind mit Nato-Draht gesichert. Auf die Besucher warten eine Leibesvisitation und ein Metalldetektor. Schließlich werden wir von einer Mitarbeiterin in das Büro von Beate Peters geführt. Die Leiterin der JVA begrüßt uns freundlich und berichtet, wie dankbar sie für das Engagement der Ehrenamtler wie Christian Brüning ist. "Der Alltag hier drinnen wäre ohne die Ehrenamtler um einiges ärmer", sagt sie.

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357 Insassen

Dann bekomme ich noch einen kurzen Überblick über die Anstalt. Die Menschen, die hier hinter den Mauern und Gittern sitzen, derzeit 357, lassen sich am einfachsten mit dem Begriff "schwere Jungs" bezeichnen. Die schwere ihrer Straftaten kann man an den langfristigen Freiheitsstrafen erahnen, die sie hier verbüßen müssen. Die meisten sitzen länger als vier Jahre ein. "Im Schnitt haben wir auch immer rund 25 Häftlinge hier, die zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden", berichtet Beate Peters, die seit sechs Jahren die Leitung in Willich innehat und gut 300 Mitarbeiter zu ihrem Team zählt.

Wenig später bilden sich langsam Schweißperlen auf meiner Stirn. Wir warten auf Olaf H. Der junge Mann aus dem Harz sitzt seit November 2012 hinter Gittern. Gut 15 Monate hat er noch vor sich. Seit rund einem Jahr wird er von Christian Brüning betreut, der ihn jede Woche zum Gespräch aufsucht.

Die Tür öffnet sich und herein kommt ein Mensch "wie du und ich". Wir schütteln uns zur Begrüßung die Hände und ich bedanke mich dafür, dass Olaf H. sich zu diesem Termin bereit erklärt hat. "Das mache ich gerne. Ich finde das Engagement von Christian Brüning super. Ich verstehe mich wirklich gut mit ihm", sagt er. Vielleicht ist es gerade diese Unbekümmertheit und Freundlichkeit, die mir einen leichten Schauer über den Rücken laufen lässt. Ich ziehe mich ein wenig zurück, lausche dem Gespräch der beiden. Olaf H. hat Probleme mit Mithäftlingen, berichtet von abgelehnten Anträgen und weiteren Problemen. Die Arbeit in der Kantine der JVA macht ihm hingegen Spaß. Zum Ende beteuert er eindringlich, dass er nach seiner Entlassung ein neues Leben beginnen will. "Ich will einen richtigen Cut machen", so der Häftling.

In die Vorfreude auf die Entlassung, mischen sich aber auch viele Zweifel und Ängste. An wen kann er sich wenden, wenn es um eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle geht? Auch hier versucht Christian Brüning mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Denn schließlich sei die wichtigste aller Fragen: "Was passiert mit den Menschen, wenn sie wieder in die Freiheit entlassen werden?" In unregelmäßigen Abständen lädt er auch Ex-Häftlinge zum gemeinsamen Frühstück ein. Wir verabschieden uns von Olaf H., der wieder seinen Dienst in der Kantine aufnimmt. Beate Peters nimmt sich noch viel Zeit für einen ausführlichen Rundgang durch die Anlage. Gefängniskapelle, Zellentrakt, Besuchsräume — mit großer Neugier sauge ich all diese Eindrücke auf. Dann mache ich mich mit Herrn Brüning auf den Weg "nach draußen". Ich atme spürbar auf, als wir die dicken Mauern hinter uns lassen. Brüning macht einen deutlich gelasseneren Eindruck als ich. "Ob man es glaubt oder nicht, ich mache diesen Job nicht nur für die Gefangenen. Die Tätigkeit bringt mir auch persönlich eine ganze Menge. Es ist schön, Menschen in schwierigen Lebenssituationen ein wenig helfen zu können", sagt Christian Brüning.