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Bürgermeister: Meerbusch ist nicht mehr "Insel der Seligen"

Haushalt eingebracht : Etatentwurf für 2024: Stadtfinanzen am Limit

Mit eindringlichen Worten haben Bürgermeister Christian Bommers und Stadtkämmerer Christian Volmerich den Rat der Stadt und die Öffentlichkeit auf die aktuell bedrohliche Haushaltslage der Stadt Meerbusch hingewiesen. Zum ersten Mal seit sieben Jahren konnte der Politik vor Beginn der Haushaltsberatungen kein ausgeglichener Etatentwurf vorgelegt werden. Ein neuerlicher Griff in die schmelzenden Rücklagen ist unumgänglich.

Schon in den vergangenen drei Jahren war der Haushaltsausgleich nur knapp gelungen, weil die Finanzschäden durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg noch aus der Bilanz herausgerechnet werden durften. Das ist ab 2024 nicht mehr möglich. Parallel dazu steigen die Flüchtlingszahlen weiter. „Landesweit sind die Kommunen an einem kritischen Punkt angekommen, die Belastungsgrenze ist erreicht, vielerorts gar überschritten“, erklärte Bürgermeister Bommers in seiner traditionellen Haushaltsrede. „40 Prozent der Städte und Gemeinden in NRW erwarten im kommenden Haushaltsjahr erhebliche Defizite und den Gang in die so genannte Haushaltssicherung – weitere 20 Prozent können heute noch nicht absehen, ob sich dieser Schritt noch abwenden lässt. Etliche wissen darüber hinaus auch gar nicht mehr wie!“

Auch Meerbusch habe inzwischen – was die finanzielle Grundsituation angeht – viel vom landläufigen Ruf, eine „Insel der Seligen“ zu sein, eingebüßt. Die Rahmenbedingungen für städtisches Handeln hätten sich massiv verschlechtert. „Immer mehr Aufgaben und Projekte, immer weniger verfügbare Finanzmittel, dazu ein Fachkräftemangel, der die Mitarbeiterschaft unserer Verwaltung zunehmend unter Druck setzt. Ferner blockiert auch uns andauerndes Krisenmanagement mehr und mehr für andere Aufgaben“, so Bommers.

Kämmerer Christian Volmerich unterlegte die Misere mit alarmierenden Zahlen: Bis 2026 wird sich das Haushaltsvolumen der Stadt um 42 Prozent erhöhen. Die Mittel, die die Stadt für erforderliche Investitionen aufbringen muss, werden um fast 500 Prozent steigen. Der Kreditbedarf für Investitionen wird im Planungszeitraum auf bis zu 239 Millionen Euro wachsen – und dies vor dem Hintergrund steigender Zinsen – eine Extrembelastung für die Haushalte der nächsten Jahre.

Die wesentlichen Ursachen für die Misere bedrängen die Stadt tatsächlich von außen, nicht durch eigenes Verschulden. Dazu gehören die Spätfolgen der Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, weiter steigende Flüchtlingszuweisungen, das Ende der Möglichkeit, Krisenschäden im Haushalt zu isolieren, ferner die Tatsache, dass Bund und Land den Kommunen Aufgaben auferlegen, ohne eine entsprechende Finanzausstattung zur Verfügung zu stellen, dringende Investitionen in Schulentwicklung, Klimaschutz, Digitalisierung und Öffentlichen Personennahverkehr sowie die gesamtwirtschaftliche Lage, unter anderem mit rasant steigenden Baukosten und Zinsen. All diese Faktoren treiben die Kostenkurve auch in Meerbusch nach oben.

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Dem Thema Geflüchtete widmete Bommers aus aktuellem Anlass eine eigene, dramatische Redepassage: „Seit Wochen und Monaten erreichen uns konstant immer mehr Zuweisungen Geflüchteter aus vielen unterschiedlichen Ländern – in den vergangenen Wochen haben sich diese Zahlen aufgrund des drohenden Winters und weiterer Konflikte noch mehr erhöht“, so der Bürgermeister. Inzwischen weise die Bezirksregierung Meerbusch wöchentlich 20 bis 30 neue Menschen zu, die untergebracht werden müssten. Das Ausmaß sei inzwischen mit der Flüchtlingswelle des Jahres 2015 vergleichbar.

Die nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs eingerichteten provisorischen Unterkünfte in den Turnhallen an der Stettiner Straße in Lank-Latum und am Neusser Feldweg in Osterath-Bovert werden in Kürze vollständig belegt sein. Gleiches gilt für die städtischen Flüchtlingsbauten insgesamt. Derzeit schafft die Stadt fieberhaft weitere Kapazitäten im Gebäude der ehemaligen Barbara-Gerretz-Schule in Osterath. Parallel dazu werden Standorte gesucht, auf denen weitere Mobilbauten entstehen könnten. „Die Belegung öffentlicher Einrichtungen – zum Beispiel weiterer Sporthallen – würde zu erheblichen Spannungen führen und soll deshalb so lange wie möglich unterbleiben“, erklärte Bommers.

All dies stelle die Stadtverwaltung organisatorisch, personell und finanziell vor weitere Herausforderungen, die die Stadt „on top“ zu den bereits bestehenden Aufgaben treffen. Ein Ende sei bislang nicht in Sicht. „Ich fordere die Verantwortlichen in Bund und Land deshalb mit aller Dringlichkeit auf, strategische und organisatorische Lösungen in der Frage der Migration zu schaffen“, so Bommers.

Ungeachtet dessen will und muss die Stadt auch in anderen Bereichen weiter massiv investieren. Paradebeispiel: Schulausbau. Nachholbedarf aus der Vergangenheit und Anforderungen von außen treiben aktuell zeitgleich den Investitionsdruck in die Höhe. Diese Gemengelage wird Meerbusch bis 2026 einen Investitionsbedarf für Baumaßnahmen von gut 234 Millionen Euro bescheren. Allein im Bereich Schulentwicklung erwartet die Stadt bis dato ein Kostenvolumen von knapp 164,7 Millionen Euro – eine Summe, die Bommers selbst „abenteuerlich“ nennt. Das Land NRW bekunde derweil stets neu die lobenswerte Absicht, die Schulträger bei der Sanierung und Modernisierung der Schulinfrastruktur zu unterstützen. Über das Wie gebe es aber bis heute keine verlässlichen Angaben.

„Wir werden die sich auftürmenden Aufgaben nicht ohne empfindliche Neuverschuldungen bewältigen können. Dennoch ist es oberstes Gebot, weiterhin verantwortungsvoll zu wirtschaften“, stellte Bommers klar. „Einspartabus kann es jetzt nicht mehr geben! Wir befinden uns mitten in einer immensen wirtschaftlichen Herausforderung, bei deren Bewältigung wir auch naturgemäß divergierende politische Interessen hintan stellen müssen.“

Dazu werde auch die simple Einsicht gehören, dass viele Dinge, die wünschenswert wären, (zurzeit) einfach nicht zu schultern sind. „Diese Einsicht muss in die Bereitschaft münden, auch wenn schon das Wort unbeliebt geworden ist, Verzicht zu üben. Das ist das Gebot der Stunde und mein Appell an Sie alle!“

Bommers zeigte sich guten Mutes, dass der Ernst der Lage auch bei den Meerbuscher Bürgerinnen und Bürgern erkannt werde. „Politik, Verwaltung, Bürgerschaft: Es ist an jedem von uns allen, Verständnis und Einsicht aufzubringen, wenn in den kommenden Jahren, die eine oder andere Schule später ausgebaut, die eine oder andere Straße später saniert oder die eine oder andere Forderung überhaupt nicht erfüllt werden kann. Es geht nicht um Einzelinteressen, sondern allein um das Wohl unserer Stadt und der Menschen, die hier leben!“, so der Appell des Verwaltungschefs

Das große Ziel müsse nun sein, schnellstmöglich – aber auch hier müsse man einen Zeitraum von mehreren Jahren einkalkulieren – die Talsohle zu durchschreiten, um dann – hoffentlich wieder in ruhigerem Fahrwasser – selbstbestimmt die grundlegenden städtischen Aufgaben angehen zu können.