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Videokonferenz rund um Strategien gegen Impfmüdigkeit in MG

Videokonferenz mit Mönchengladbacher Experten : Viele Ideen gegen die Impfmüdigkeit

Dass die Inzidenzwerte nach den ganzen Lockerungen wieder leicht steigen, ist ein Warnsignal. Die Impfquote muss höher werden. Das Stichwort lautet Herdenimmunität, und von der ist auch Mönchengladbach weit entfernt. Doch wie erreicht man die 20 bis 30 Prozent „impfmüden“ oder „impfängstlichen“ Mitbürger*innen? Mit dieser Frage haben sich am Mittwochabend Experten in einer Videokonferenz beschäftigt.

Was gezielte Impfaktionen bewirken können, haben die vier Tage „Impfen ohne Termin“ in der vergangenen Woche gezeigt, lobt der Landtagsabgeordnete Jochen Klenner die Stadt am Mittwoch in der Videokonferenz, zu der er Impfexperten und Vertreter aus Politik und Medizin eingeladen hat. Er sagt aber auch: „Eine Aktion wird nicht reichen.“

„Wir wissen nicht, was noch kommt“, betont auch Dr. Günter Krings, Mitglied des Bundestags. Er befürwortet, dass Beschränkungen für Nichtgeimpfte aufrechterhalten werden. Wenn es für alle Impfangebote gebe, greife die Kritik an „Privilegien“ nicht länger.

Ob man „sanften Druck“ auf Nichtgeimpfte ausüben sollte, zum Beispiel auch durch künftig kostenpflichtige Corona-Tests, die für Reisen und Freizeitaktivitäten erforderlich sind, wenn man nicht geimpft ist, ist an diesem Abend aber nur eine Überlegung am Rande. Zumal der aktuelle Inzidenzwert kaum Einschränkungen vorsieht. Und wer keinen Test braucht, denkt schnell mal: „Dann brauch ich mich ja auch nicht impfen zu lassen.“

Warum aber genau das so wichtig ist, erklärt Impfexperte, Kinder- und Jugendmediziner Ralph Köllges: „Um nicht zu erleben, was andere Länder erleben!“ Laut Robert-Koch-Institut funktioniere ein Herdenschutz erst, wenn 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen geimpft seien. Rechne man da noch die 12- bis 17-Jährigen heraus, deren Impfung zurzeit wegen möglicher gesundheitlicher Schäden (u.a. Myocarditis) noch nicht uneingeschränkt empfohlen werden könne, komme man in einen Bereich (93,5 Prozent), der nicht haltbar sei.

 Unschaffbar? Vielleicht. Aber auch niedriger angesetzte Ziele bringen schon enorm viel. So argumentiert Köllges anhand von wissenschaftlich errechneten Infektionsverläufen: „Bei einer Impfquote von 65 Prozent bekommen wir ein hochgradiges Infektionsgeschehen, das unser Gesundheitssystem nicht verkraftet. Schon bei nur zehn Prozent mehr, also bei 75 Prozent, flacht die Kurve der Infektionen deutlich ab.“

Dass unbedingt möglichst schnell möglichst viele geimpft werden müssen, darüber ist sich die Gladbacher Expertenrunde einig. „Es ist unsere Aufgabe, dass wir Mengen schaffen“, sagt Klenner.

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Die Kinder bleiben, zumindest im Moment noch, aus den besagten Gründen außen vor. Daher will man vor allem die rund 20 bis 30 Prozent ausmachende Gruppe der zögerlichen, bequemen, verunsicherten, vielleicht auch ängstlichen Nichtgeimpften erreichen – durch niedrigschwellige Angebote wie Impfaktionen ohne Anmeldung, wie sie bereits geplant sind, durch einen Impfbus, der gezielt Orte mit hoher Frequenz anfährt, durch Impf-Drive-Ins, durch so genanntes „Nudging“, das Anstupsen von Bürger*innen durch irgendeinen Mehrwert. „Man muss es einfach ausprobieren!“, plädiert Köllges, wohl wissend, dass die Schwierigkeit, manche Gruppen zu erreichen, bestehen bleibt.

Doch auch hier gibt es Ideen – und bemerkenswerte Erfolge. So berichtet Brigitte Bloschak von der Diakonie Mönchengladbach von zwei Aktionstagen im Mai, an denen mithilfe von Streetworkern rund 300 Wohnungslose geimpft worden sind. Ihr Tipp: „Es ist wichtig, in die Lebenswelt der Menschen zu gehen. Wenn sie vetraute Gesichter sehen, lassen sie sich eher drauf ein.“

Eine wichtige Anregung gibt Prof. Dr. Huan N. Nguyen, Chefarzt Innere Medizin und Intensivmedizin an den Städtischen Kliniken. Er schlägt vor, zunächst einmal genaue Daten zu erheben, die klären: Wo sind die Brennpunkte und Wohnbereiche? Gibt es in bestimmten Berufsgruppen, bei Menschen mit Migrations- oder auch einem bestimmten kulturellen Hintergrund mehr Ungeimpfte? Um dann in einem nächsten Schritt die Leute gezielt vor Ort anzusprechen.

Auch René Hartmann aus dem Vorstand des DRK Mönchengladbach ist überzeugt: „Statt über Sanktionen nachzudenken, muss man erst einmal das Vertrauen der Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, gewinnen. Was sind deren Beweggründe?“ Jochen Klenner greift die Idee auf: „Wir könnten mit Unterstützung der Hochschule eine Umfrage machen. Einfach mal auf den Markt gehen, fragen: ,Sind Sie geimpft? Warum nicht?’“

Viele gute Ideen, die hoffentlich bald umgesetzt werden. Zum Abschluss noch eine aus der Redaktion für Sie, liebe Leser: Kennen Sie jemanden, der noch nicht geimpft ist? Nehmen Sie ihn/sie an die Hand (im übertragenen Sinne), erklären Sie ihm/ihr, warum er/sie sich impfen lassen sollte und gehen Sie mit ihm/ihr zu einem der mobilen Impftermine. Mönchengladbach braucht Multiplikatoren in Sachen Impfen – seien Sie doch einer!