Bei denen tickt es wohl

Bei denen tickt es wohl

High noon – aus dem Wohnzimmer klingt ein Westminster-Schlag. Er ist noch nicht ganz verklungen, da erfolgt im Flur des Hauses ein weiterer Stundenschlag mit einem anderen, helleren Glockenton. 80 Uhren melden sich zu jeder vollen Stunde im Haus von Kornelia und Edmund Bolten in Waldniel.

„Die Uhren haben mechanische Laufwerke, sie gehen nicht alle gleich schnell, daher das zeitversetzte Schlagen“ erklärt Edmund Bolten.

Alle Uhren laufen, und ihre Laufwerke geben ein mehr oder weniger deutliches „Tick-Tack“ preis. „Das hören wir schon gar nicht mehr. Im Gegenteil, wenn eine Uhr stehen bleibt, fällt uns das auf“, sagt Kornelia Bolten.

Auf den Part des Staubwischens für die große Sammlung angesprochen, verweist sie auf ihren Mann. „Er macht sie sauber.“ Wohnzimmer, Küche und Treppenhaus nehmen die umfangreiche Sammlung auf. Stand-, Tisch-, Küchen- und Wanduhren gehören dazu. „Unsere älteste Uhr ist eine Standuhr, ein Erbstück von meinen Großeltern. Sie ist über 100 Jahre im Familienbesitz. Als Großvater sie zur Hochzeit geschenkt bekam, war sie schwarz. Später wurde sie abgebeizt und eine wunderschöne Eichenuhr entstand. Das Geheimnis steckt aber in der Uhr.“ Bolten öffnet die Glastür, hinter der die Gewichte an Ketten hängen. In der Ecke steht eine stattliche Dreiliter Cognac-Flasche. „Wenn mein Vater zu Bett ging, trank er immer einen Schluck daraus.“ So steht die Flasche genau wie damals im Uhrenkasten.

Zu fast jeder Uhr gibt es eine Geschichte. So auch zur Standuhr, in der drei Gewichte an Ketten die Uhrmechanik und das Läutewerk bedienen. „Mein erster Kontakt mit dieser Uhr erfolgte über den Schlitz eines Briefkastens. Immer wenn ich dort die Zeitung einschob, erblickte ich die Uhr. Eines Tages standen die Möbel der Bewohnerin auf der Straße. Ich nahm Kontakt zu den Angehörigen auf und konnte die Uhr erwerben.“

„Skelett“-Uhren, also Uhren, die den freien Blick auf ihre Laufwerke ermöglichen, finden sich in der Sammlung Bolten als Wanduhren oder als Taschenuhren. Im Kasten, in dem er die Taschenuhren ausstellt, verweist er auf ein besonderes Exemplar. An der Uhrenkette baumelt ein Reichstaler aus dem Jahr 1816. Das lässt die Vermutung zu, dass die Uhr aus dieser Zeit stammt. Und ein weiteres Schätzchen holt er hervor, eine Armbanduhr. „Das ist meine Kommunionuhr, die ich zur Erstkommunion geschenkt bekam.“ Irgendwann müssen die Laufwerke der Uhren aufgezogen werden. „Das mache ich in der Regel am Sonntagmorgen. Dafür brauche ich ungefähr zwei Stunden.“ Etwas stressig wird es allerdings, wenn jährlich zweimal die Zeit umgestellt wird. „Das Zurückstellen ist kein Problem, da kann man die Pendel anhalten.“ Das Vorstellen erfordert besonders bei den Uhren Geduld, die einen Viertelstundenschlag haben. „Da muss man erst einmal den Schlag abwarten.“

Für das Ehepaar Bolten sind die Uhren Schmuckstücke. Beim Besuch von Trödelmärkten wird dann auch immer Ausschau nach neuen Zeitmessern für ihre Sammlung gehalten.

(StadtSpiegel)