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Kabarettistin steht vor Gastspiel in Lank Rede und Antwort

Interview mit Tina Teubner : „Persönlich, aber nicht privat sein“

Die Kabarettistin, Autorin und Chansonsängerin Tina Teubner kommt am Mittwoch und Donnerstag, 10. und 11. April, ins Forum Wasserturm nach Lank (siehe Titelseite). Vor ihrem Meerbuscher Gastspiel stand sie uns noch Rede und Antwort...

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum wohlverdienten Gewinn des Salzburger Stiers! Wie fühlt es sich an, diese renommierte Auszeichnung entgegenzunehmen?

Ich habe mich total darüber gefreut, ich war überrascht; natürlich streichelt so ein Preis das Ego und gibt Rückenwind und Ehre – aber am Ende überwiegt die blanke Freude!

Als Kabarettistin fällt Ihnen oft die schwierige Aufgabe zu, Probleme unserer Zeit zu pointieren. Wie gehen Sie die Gratwanderung an, zwischen Kunst, die den Zuschauer seine Probleme vergessen lässt, und Kunst, die sie thematisiert?

Zunächst einmal mit gehörigem Respekt. Auch die beste Pointe der Welt darf ein Thema nicht verkleinern; sie muss ihm etwas hinzufügen. Von daher bin ich gerade zur Zeit sehr froh darüber, dass ich keine explizit politische Kabarettistin bin. Aber ich bin eine, die die Welt in ihrer Dramatik wahrnimmt. Und diese Welt ist in meinen Programmen so etwas wie das Bühnenbild. Die lässt sich nicht ausblenden. Ich aber zoome an uns Menschen ran und beziehe meine Themen daraus, wie wir vor genau diesem Bühnenbild agieren. Und da ist eine Menge Komik zu finden! Und bevor Sie denken: Es geht also um den kleinen Alltag, widerspreche ich ganz vehement: Nein! Es geht um das Leben. Genau wie in der Großkunst – mit dem einzigen Unterschied, dass wir Kabarettist*innen uns der Einfachheit und dem Humor verpflichtet fühlen. Mir gefällt der Gedanke, dass mein Publikum nicht die Sekundärliteratur bemühen muss, um meine Texte zu verstehen.

Wie finden Sie die Balance zwischen dem, was Sie als Künstlerin ausdrücken möchten, und dem, was Ihrer Meinung nach die Zuhörer interessiert und beschäftigt?

Ich will auf der Bühne persönlich, aber nicht privat sein. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn man ganz ehrlich eine Tür zu seiner Welt aufmacht, dann gehen die Menschen durch. Die spüren, ob ein Thema wirklich Relevanz hat. Im besten Falle ist man selber immer wieder überrascht von der eigenen Klugheit, und im besten Falle macht man keine Witze, die man selber nicht lustig findet.

Wie läuft die Programmerstellung ab, wie legen Sie sich auf Themen fest? Steht das Thema zuerst und überlegen Sie sich ein Programm dazu oder folgen Sie eher Eingebungen?

Ich gehöre zu denen, die sehr regelmäßig schreiben; meistens fange ich am Tag nach der Premiere an, neue Texte zu schreiben. Wenn ich ein paar Lieder fertig habe, wird das dahinterliegende Thema deutlich; dann suche ich einen Titel und versuche, diesem gerecht zu werden. Ganz grundsätzlich mag ich es, aus einer Flut von Texten die allerbesten auszuwählen.

  • Tina Teubner.⇥Foto: Jens Schneider
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Mit Ihrer kreativen Energie jonglieren Sie oft mehrere Programme gleichzeitig – kommt man da schon mal durcheinander?

Nicht wirklich. Und wenn es so wäre, wäre es auch nicht schlimm. Das ist das Tolle an diesem Genre: Es gibt nicht gut und schlecht, richtig und falsch. Wenn etwas auf der Bühne passiert, dann muss ich in der Sekunde etwas daraus machen, und das Publikum freut sich wie Bolle. Ich bevorzuge es in solchen Situationen, meinen Mann Ben für seine miserablen Souffleusenkompetenzen rund zu machen. Dem Publikum gefällt‘s!

Schauen Sie auf vergangene Projekte heute eher wohlwollend oder kritisch zurück? Gibt es Material, das Sie heute ganz anders angehen würden?

Oh ja! Wenn ich heute auf meine Anfänge zurückgucke, könnte ich gelegentlich vor Scham im Boden versinken. Der überschaubare Erfolg, den ich damals hatte, war einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass ich mit unbändiger Spielfreude, grenzenlosem Selbstbewusstsein und jugendlicher Autorität auf die Bühne gestürmt bin und das Gefühl hatte, ich erfinde das Rad neu. Ich vermute, ich habe meinem Publikum schlicht und ergreifend verboten, mich schlecht zu finden.

Ohne Ihren Mann gehen Sie nicht auf die Bühne – wie sieht der kreative Prozess zu zweit aus? Ist man sich da immer einig? Und wer behält das letzte Wort?

Ich hoffe doch ich. Wobei ich in aller Deutlichkeit sagen möchte: Ich liebe den Ben. Ich habe es nur nicht immer auf dem Schirm. Zum Prozess: Ich schreibe, aber Ben ist ein grandioser erster Zuhörer, ein differenzierter Kritiker, er hat die besten Pointen im Kopf und schreibt so viele wunderschöne Arrangements. Aber am Ende ist die Abmachung: Wir machen zusammen ein Tina-Programm, so wie wir auch gemeinsam Ben-Programme machen, die Ben schreibt – und dann ist alles umgekehrt. Die Kunst ist der einzige Ort, an dem ich zu viel Demokratie gefährlich finde.

Zweifellos gelten Sie als Inspiration für viele Künstler – Aber welche Künstler inspirieren eigentlich Sie?

Pina Bausch war in meinem Leben so etwas wie eine kulturelle Initialzündung; umgehauen haben mich in jungen Jahren Georgette Dee, Josef Hader, Sigi Zimmerschied; noch immer liebe ich Franz Schubert und Element of Crime; ich bin im Austausch mit meinen Lieblingskolleg*innen: Nessi Tausendschön, Dagmar Schönleber und Fee Brembeck (um nur einige zu nennen) und ich lese sehr gerne, zur Zeit zum zweiten Mal „Die Welt im Rücken“ von Thomas Melle. Sensationell!

Sie ziehen Live-Shows ja bekanntlich dem Fernsehen vor – was ist denn das Schöne an Live-Shows?

Die Unmittelbarkeit, die Nähe zum Publikum, das Spontane, das Brodelnde: All das gibt es einfach nur in diesem heißgeliebten Genre: Kabarett! Außerdem hat man in Live-Shows viel mehr Zeit; man muss nicht nur Pointen abfeuern, die auch die letzte Couchpotato versteht, sondern kann die Komik auch aus der Figur und den Brüchen beziehen und das Publikum mit auf eine große emotionale Reise nehmen.

Haben Sie so etwas wie Glücksbringer oder Rituale vor der Show?

Ohne Toi Toi Toi gehen wir nicht auf die Bühne. Das bringt Unglück. Manchmal vergessen wir es. Und der Abend wird trotzdem schön. Oder auch nicht. So ist das mit dem Aberglauben.

Zum Abschluss: Können Sie uns einen kleinen Einblick geben, was Ihre Fans in Meerbusch bei der kommenden Show erwarten dürfen?

Sarkastisches, Albernes, wenn es sein muss auch Wütendes (die erste Reihe lebt gefährlich), einen fabelhaften Pianisten, lustige, wehmütige und sehr schnelle Lieder, jede Menge Instrumente und die vehemente Aufforderung, ein Leben zu leben, das den Titel Leben verdient. Am Ende vielleicht auch ein kleines bisschen Trost. Ich weiß, dass Kabarett nicht die Welt verändern kann. Aber es kann uns für zwei Stunden in der Illusion wiegen, dass es auch anders geht.