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Gladbacherinnen kämpfen auf Instagram gegen verbale sexuelle Beläsigung

Gladbacherinnen bekämpfen Catcalls : Mit Kreide und Kamera gegen sexuelle Belästigung

Durch sexuell anzügliches Rufen, Reden oder Pfeifen belästigt zu werden, gehört für viele Frauen traurigerweise zum Alltag. Damit muss Schluss sein, finden zwei junge Mönchengladbacherinnen und gehen voran. Ihr Ziel: die Betroffenen aus der Opferrolle herausholen und ihnen eine Stimme geben.

Ines Grube und Mara Bongartz haben sich ganz dem Kampf gegen Catcalling (zu dt. etwa Katzen-Rufen) verschrieben. Der Begriff kommt aus der englischen Umgangssprache und bezeichnet im Grunde alle Formen der verbalen sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum. Mit Kreide und Kamera dokumentieren die beiden Frauen seit Anfang des Jahres immer wieder derartige Anzüglichkeiten, indem sie Betroffene aus Mönchengladbach auffordern, sich per Direktnachricht an den eigens dafür geschaffenen Instagram-Account ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­catcallsofmg_ zu wenden und ihre Erlebnisse zu schildern. Mit den Informationen ziehen Ines Grube und Mara Bongartz dann los und machen die Fälle öffentlich. Mittels bunter Kreide schreiben sie die Sprüche (oft in verkürzter Form) an verschiedenen Stellen in der Stadt auf den Boden und tragen sie somit zurück in den öffentlichen Raum, in dem sie ursprünglich gefallen sind – diesmal allerdings als Anklage gegen ihre Urheber. Darunter verweisen Grube und Bongartz noch auf die Instagram-Seite, auf der jedes Kreide-Graffito nochmal als Foto zu finden ist, ergänzt um den jeweiligen Spruch in voller Länge und den kompletten Sachverhalt der Belästigung.

Mit ihrer Aktion greifen die beiden Mönchengladbacherinnen eine Idee auf, die ursprünglich aus New York kommt und die inzwischen Nachahmer in vielen großen Städten weltweit gefunden hat. Als Ines Grube und Mara Bongartz über die Instagram-Seite der Kölner Catcalls erfuhren, dass Gladbach zu den Städten gehörte, in der es noch keinen Ableger gab, mussten die beiden nicht lange überlegen und nahmen sich der Sache direkt an. „Immerhin haben wir in unserem persönlichen Umfeld, sei es bei Freundinnen oder in der Familie, schon einige Vorfälle solch verbaler Belästigungen mitbekommen“, sagt Mara Bongartz. „Und auch wir selbst waren schon betroffen“, ergänzt ihre Mitstreiterin.

Die Resonanz, die die beiden Frauen durch das „Ankreiden“ der Catcalls erfahren, sei – zumindest auf Instagram – durchweg positiv, berichten sie. Viele Frauen hätten sich gemeldet, die die Aktion toll finden, aber auch Männer würden immer wieder ihre Unterstützung ausdrücken und ihr Unverständnis gegenüber den Sprüchen ihrer Geschlechtsgenossen zeigen. Lediglich eine negative Reaktion habe es online bislang gegeben, als ein User der Community „Männerhetze“ vorwarf. Dabei liegt den Macherinnen der Seite eigentlich nichts ferner, als einseitig Männer-Bashing betreiben zu wollen. Aber es sei nun mal so, dass eben vorwiegend Frauen die Ziele und Männer die Absetzer von Catcalls sind, wie Mara Bongartz feststellt. „Wir nehmen aber, falls es sie geben sollte, gerne auch Catcalls von Männern, die sich durch Frauen belästigt gefühlt haben, mit auf und machen diese öffentlich“, sagt Ines Grube.

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Während das Öffentlichmachen der Catcalls auf Instagram weitestgehend auf Gefallen stößt, gebe es aber draußen im öffentlichen Raum, wenn die jungen Frauen mal wieder zum Ankreiden ausziehen, hin und wieder auch Kritik. „Die Passanten sind oft neugierig und wollen mit uns ins Gespräch kommen. Manchmal gibt es dann aber auch welche, die finden, dass wir überreagieren, weil sie einen Spruch eher als Kompliment auffassen“, erzählen die beiden. Allerdings würden die Menschen bei solchen Relativierungen außer Acht lassen, dass ein Kompliment immer auf Augenhöhe und nicht von oben herab erfolgen sollte. „Es macht einen großen Unterschied, ob ich eine Frau anspreche und ihr sage, dass sie mir sympathisch ist, oder ob ich ihr hinterherpfeife oder ihr nachbrülle, dass sie einen geilen Arsch hat“, findet (sicher nicht nur) Mara Bongartz.

Tatsächlich vergessen Männer auch leider allzu häufig, dass das, was sie an sich selbst gerichtet bestenfalls als Kompliment und schlimmstenfalls als blödes, aber leicht zu ignorierendes Verhalten wahrnehmen würden, in der Regel ganz andere Auswirkungen hat, wenn der Adressat eine Frau ist. So schwingen bei jedem Catcall immer auch potenzielle Bedrohungsszenarien mit. „Vielen Männern ist gar nicht bewusst, was sie dadurch anrichten können. Schon durch ein Pfeifen kann bei einer Frau in gewissen Situationen Angst ausgelöst werden“, klärt Mara Bongartz auf. Neben dem Mangel an der Fähigkeit, sich in eine Frau hineinzuversetzen, zeugten solche Belästigungen aber darüber hinaus auch oftmals von fehlendem Respekt gegenüber Frauen und insofern vielleicht auch ganz einfach von einer schlechten Erziehung.

Worum es Mara Bongartz und Ines Grube mit ihrer Aktion geht, ist vor allem, Betroffenen von Catcalls dabei zu helfen, aus der Opferrolle herauszukommen. „Wir wollen, dass sie eine Stimme bekommen und gehört werden. Gleichzeitig wollen wir aber auch das alte Rollendenken aufbrechen und für das Thema sexuelle Belästigung sensibilisieren, verbunden mit dem Fernziel, dass vielleicht auch das Catcalling irgendwann unter Strafe gestellt wird“, so die beiden Frauen. Sie machen deutlich: Sexuelle Belästigung erfolgt nicht nur körperlich – und sie ist vor allem ein strukturelles Problem. Das zeigt schon die stetig wachsende Zahl der Catcall-Betroffenen, die sich regelmäßig über den Instagram-Account catcallsofmg_ melden. Mindestens drei bis vier Fälle würden jede Woche im Postfach landen.