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: „Ich habe mich nackig gemacht“

: „Ich habe mich nackig gemacht“

Er ist bei einem Konzert vor über 700.000 Menschen aufgetreten, ist der bislang einzige Raggae-Künstler, der bei „MTV unplugged“ auftreten durfte und darf sich Deutscher Skateboard-Meister nennen: Tilmann Otto alias „Gentleman“ kommt jetzt für drei Konzerte zum „Strandkorb Open Air“. Dem Extra-Tipp gab er vorab ein exklusives Interview.

Extra-Tipp: Tilmann, Deine drei Konzerte beim „Strandkorb Open Air“ in Mönchengladbach sind alle restlos ausverkauft. Damit bist Du jetzt schon einer der erfolgreichsten Künstler, die in diesem Jahr im SparkassenPark auftreten...

Tilmann Otto: Ich fühle mich geehrt, und ich weiß das gerade in dieser Zeit zu schätzen! Normalerweise wäre ich jetzt mit den Fantastischen Vier auf großer Stadiontour. Das Strandkorb Open Air ist eine coole Location und wir freuen uns tierisch, wieder live vor Publikum aufzutreten.

Extra-Tipp: Was erwartet Ihr von Euren Konzerten im SparkassenPark? Bislang waren die Konzerte dort große Erfolge, die Leute tanzen vor den Strandkorben und scheinen, was Live-Gigs angeht, richtig ausgehungert..

Tilmann Otto: Das geht uns ganz genauso! Wir haben jetzt auch schon länger nicht mehr live gespielt, insofern sind die Konzerte in Mönchengladbach auch für uns etwas ganz Besonderes.

Extra-Tipp: Es gibt nur ein Problem: Du bist Mitglied beim 1. FC Köln...

Tilmann Otto: ...und deswegen werde ich natürlich mit FC-Trikot und zwei Geißböcken auf die Bühne kommen (lacht). Im Ernst: Ich schätze die Rivalität bei den Derbys im Fußball, aber wir können trotzdem gemeinsam bei Konzerten feiern. Außerdem sucht man sich den Verein ja nicht aus: Unser Tourmanager zum Beispiel war noch nie in Bremen und hat auch keine familiären Verbindungen dorthin, ist aber trotzdem seit Jahren großer Werder-Fan.

Extra-Tipp: Du musstest wegen Corona auch Deine eigene Tour zu Deinem neuen Album „Blaue Stunde“ auf nächstes Jahr verschieben. Aus Deinen neuen Songs höre ich aber raus, dass für Dich die Pause aber ganz willkommen kommt, oder?

Tilmann Otto: Es etwas ruhiger angehen zu lassen, war bei mir schon vor Corona seit längerem ein Thema. Heute hier, morgen da, für Meetings ständig nach Berlin jetten... Man wird durch dieses Leben, ständig unterwegs zu sein, ein Stück weit entwurzelt. Klar steht es in den Sternen, wie es nach Corona weitergeht, aber ich will mich nicht beschweren. Für meine Freunde auf Jamaika oder sonst wo auf der Welt ist das etwas anderes, für die geht es ums nackte Überleben. Für mich ist es die Chance, es ruhiger angehen zu lassen, Zeit zu haben, um zu reflektieren und dankbar zu sein für das, was man hat. Und es entsteht eine neue Wertschätzung für Dinge, die vorher vielleicht etwas flöten gegangen ist.

Extra-Tipp: Du bist schon sehr lange mit Deiner Frau zusammen, Ihr habt zwei gemeinsame Kinder. Erlebst Du Deine Familie durch Corona jetzt bewusster?

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Tilmann Otto:Auf jeden Fall. Ich bin zum ersten Mal für lange Zeit an ein und demselben Ort und habe viel Zeit für meine Familie. Klar war ich anfangs etwas down, dass ich nicht touren konnte und mein neues Album nicht so promoten konnte, wie ich es vorhatte. Auf der anderen Seite hatte ich die Chance, auch mal Dinge zu verarbeiten. Ich glaube, in jeder Krise liegt auch einen Chance für einen selbst.

Extra-Tipp: Apropos neues Album: Auf „Blaue Stunde“ singst Du komplett auf Deutsch. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Tilmann Otto: Ich hatte diesen Gedanken tatsächlich schon ganz lange. Es hat mich schon immer gewurmt, dass in den Ländern, wo ich wahrscheinlich die meisten Konzerte spielen – also in Deutschland, Österreich und der Schweiz – der Großteil meiner Texte nicht verstanden wird; die Lyrics kommen einfach nicht bei den Leuten an. Viel läuft bei meinen Songs über die Vibes, aber wenn man sich nicht mit der jamaikanischen Kultur auseinandersetzt, ist es unmöglich zu verstehen, über was ich singe. Außerdem gab es zu der Zeit, als ich mit der Musik angefangen habe, in Deutschland fast nur englischsprachige Musik. Das hat sich total geändert, es gibt richtig gute Songs im Singer/Songwriting, im Hip Hop und im Soul.

Extra-Tipp: ...und dann kam die TV-Show „Sing meinen Song“, wo Du mit The BossHoss, Mark Foster, Michael Patrick Kelly, Moses Pelham, Lena und Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß in Südafrika warst...

Tilmann Otto: Genau, da habe ich „Ich trink auf dich,

mein Freund“ von Mark Foster gecovert und gemerkt: Ey, Deutsch zu singen fühlt sich überhaupt nicht fremd an, sondern sehr vertraut. Das Feedback war dann einfach so gut, dass ich die Motivation bekommen habe, jetzt mal was auf deutsch aufzunehmen.

Extra-Tipp: War es für Dich schwer, auf einmal komplett auf Deutsch zu texten?

Tilmann Otto: Anfangs schon, weil die Art und Weise, wie ich vorher auf englisch getextet habe, auf deutsch gar nicht funktionierte. Außerdem gibt man in seiner Muttersprache enorm viel von sich preis – ich hab’ mich bei meinen neuen Songs schon sehr nackig gemacht (lacht). Du lernst mich auf „Blaue Stunde“ auf jeden Fall richtig kennen. Bis ein Song aber rollt und flowed und Soul hat, das ist halt oft schwierig gewesen. Es gab rund 90 Demo-Songs, 16 haben es am Ende aufs Album geschafft. Es war ein langer Prozess, aber jetzt wird zum ersten Mal von mir auch jedes Wort verstanden (lacht).

Extra-Tipp: Ist „Blaue Stunde“ Dein persönlichstes Album?

Tilmann Otto: Das sag’ ich im Grunde bei jedem Album (lacht). Allein, dass es auf deutsch ist, macht es sehr persönlich. Es geht um Geschichten aus meinem Leben und mein Gedankenset... also ja, es ist mein bisher persönlichstes Album.

Extra-Tipp: Kannst Du Dir vorstellen, auch in Zukunft auf deutsch zu singen?

Tilmann Otto: Das weiß ich jetzt noch nicht, aber sicher nicht ausschließlich. Im Moment arbeite ich schon am nächsten Album auf englisch, weil ich ja auch viele Fans in englischsprachigen Ländern habe.

Extra-Tipp: Beim Strandkorb Open Air wirst Du vor rund 1000 Leuten pro Konzert spielen, in Polen hast Du bei einem Festival schon mal vor unfassbaren 700000 Leuten gespielt. Erzähl’ uns von diesem Moment!

Tilmann Otto: Das war absolut surreal. Die Leute sind zwar nicht nur meinetwegen gekommen, wir haben als Co-Headliner vor ’The Progidy’ gespielt. Aber es haben tatsächlich total viele meine Songs mitgesungen. Vor lauter Menschen siehst Du das Ende nicht – ich hatte anderthalb Stunden Gänsehaut. Aber auch andere Konzerte sind unvergesslich. In Suriname, wo wir vorher noch nie waren, hatten wir gehofft, dass ein paar hundert Leute kommen – am Ende waren es 10000. Auch unsere Afrika-Tour war sensationell, genauso wie Rock am Ring oder das Summerjam-Festival.

Extra-Tipp: Was wäre aus Dir geworden, hätte es mit der Musik nicht geklappt? Du bist, glaube ich, dreimal von der Schule geflogen...

Tilmann Otto: Ach, auf der Schule habe ich immer so sinnlos rebelliert, dabei waren die eigentlich immer ganz nett zu mir (lacht). Ich wollte früher immer Astronaut werden, aber so ohne Abi wäre das sicher schwer geworden... Ich war aber auch nie der Typ, der einen Plan B hatte; Plan B brauchst du nur, wenn du an Plan A nicht glaubst.

Extra-Tipp: Du warst aber immerhin mal Deutscher Skateboard-Meister, richtig?

Tilmann Otto: Ja, aber auch nur, weil die beiden Besten damals nicht mitgefahren sind (lacht). Das war Anfang der 90er Jahre in Rüdesheim. Jetzt habe ich noch ein Longboard zum cruisen, die Zeit der wilden Sprünge ist vorbei.

Extra-Tipp: Was dürfen Deine Fans bei Deinen Konzerten beim Strandkorb Open Air erwarten?

Tilmann Otto: Wir freuen uns tierisch auf das Strandkorb-Feeling! Wir werden Songs vom neuen Album spielen, aber auch die, die die Leute von uns erwarten. Auf jeden Fall haben wir alle mega Bock, endlich wieder live zu spielen