Redaktion auf Reisen: Der Bodensee-Radweg: Einmal rund um den See

Redaktion auf Reisen: Der Bodensee-Radweg : Einmal rund um den See

Am Ende waren es knappe 350 Kilometer. Aber wer braucht nach einer Bodensee-Umrundung mit dem Rad noch solch nackte Zahlen? Niemand. Denn was bleibt, sind die Erinnerungen an eine Woche, in der man aufgehört hat, Meter und Sekunden zu zählen.

Natürlich braucht es eine Vorstellung von dem, was man sich zum Ziel gesetzt hat. Mit dem Fahrrad einmal rund um den Bodensee. Das sollte doch gelingen, oder? Fünf Etappen in sechs Tagen? Das Angebot reizt und geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich studiere Karten, lese Berichte, schätze, rechne hoch: Dann steht fest: Das schaffe ich.

Um die Verpflegung muss sich niemand Sorgen machen: Wurstsalat gibt's überall.
Um die Verpflegung muss sich niemand Sorgen machen: Wurstsalat gibt's überall. Foto: Uli Rentzsch

Es ist nicht so, dass man jederzeit den Fuß in den See halten kann. Viele Kilometer radelt man in — wie ich es einmal nennen will — der "ersten Etage". Man hat den See zwar so gut wie jederzeit im Blick, doch der Bodensee-Radweg ist kein Ufer-Radweg. Wer Städte und Dörfer genauer unter die Lupe nehmen möchte — und das lohnt sich — der fährt auch schon mal in die "zweite Etage". Nennen wir den Weg wellig.

Wer gerne mal allein ist, steht früh auf: Stein am Rhein.
Wer gerne mal allein ist, steht früh auf: Stein am Rhein. Foto: Uli Rentzsch

Verhungern muss niemand. Genießen kann jeder. Die Möglichkeiten, sich zu verpflegen, sind je nach Gewicht des Geldbeutels schier grenzenlos. Allerdings: Nach 21 Uhr wird es zunehmend schwerer, einen Ort mit noch offener, warmer Küche zu finden. Konstanz ist sicherlich eine Ausnahme, in kleineren Orten kehrt Ruhe ein.

 Die "Ich-könnte mich-in-sie-verlieben-Insel" Reichenau.
Die "Ich-könnte mich-in-sie-verlieben-Insel" Reichenau. Foto: Uli Rentzsch

Verfahren kann man sich nur an ganz wenigen Stellen. Wer zur Hauptreisezeit eine Minute lang keine Satteltasche oder einen Rucksack gesehen hat, ist nicht mehr auf dem Bodensee-Radweg. In allen denkbaren Gepäckvariationen kommen Radler entgegen, überholen oder lassen sich überholen. Der Bodensee ist beliebt. Aus gutem Grund.

Am Tag vor der eigentlichen Umrundung fahre ich ein kleines Teilstück auf dem Schwarzwald-Radweg in der Nähe von Waldshut-Tiengen, gerade mal 35 Kilometer durch das Wutachtal. Wenn ich könnte, würde ich mir jetzt auf den Rücken klopfen. Anatomische Gründe verhindern, dass ich mir auch körperlich Mut zusprechen kann. Zugegeben: Ein kleines bisschen Unsicherheit bleibt.

Den Tag der Ankunft verbringe ich wie ein Tourist. Vom Hotel in Litzelstetten kann ich zu Fuß zur Insel Mainau laufen. 21 Euro für den Eintritt sind ganz schön viele Euro, hier hilft die Konstanz-Gäste-Karte, die man im Gegenzug für die Kurtaxe bekommt, herzlich wenig. Na gut, ich gönne mir die Blütenpracht und schlendere mit Hunderten weiteren Botanikern über die Insel. Mit dem Schiff geht es nach Konstanz — eine Stadt, die es in den Rang von "Ich könnte-mich-in-sie-verlieben-Stadt" schafft.

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Und dann kommt es, wie es kommen muss. Die erste Etappe auf dem Bodensee-Radweg empfinde ich als schwierig. Laut Karte radelt man von Konstanz bis Stein am Rhein — rund 50 machbare Kilometer. Mein Starthotel liegt aber sechs Kilometer vor Konstanz, das Zielhotel runde sieben Kilometer hinter Stein am Rhein. Und es ist richtig schön warm. Ich bin bestens vorbereitet, denke ich: Zweimal Sonnencreme, zweimal Insektenschutz, T-Shirts zum Wechseln und alles, was man sonst noch gebrauchen könnte auf diesem kleinen Stück am See. Weit gefehlt: Die Umrundung des nördlichen Untersees kostet mehr Kraft als erwartet. Trösten können nur die wunderschönen Aussichten auf das Wasser. Wie friedlich alles erscheint. Radolfszell, Moos, Gaienhofen, das lange Stück bis nach Öhningen, das malerische Stein am Rhein. Die Dusche im Hotel in Gailingen weckt die verloren geglaubten Lebensgeister. Ich schlendere runter ans Rheinufer und hüpfe auf der Holzbrücke nach Diessenhofen zwischen der Schweiz und Deutschland hin und her. Linker Fuß Schweiz, nicht EU. Hüpf. Rechter Fuß Deutschland, EU. Nichts passiert.

Von Stein am Rhein, am Südufer des Untersees entlang, durch Steckborn und Ermatingen geht es jetzt mit viel leichterem Gepäck über Kreuzlingen wieder zurück nach Konstanz, an Mainau vorbei bis nach Wallhausen. Von dort bringt mich das Schiff zum Etappenziel nach Überlingen. Was für eine wunderbare Landschaft. Ja, ok, ein kurzes Stück des Weges führt über feinen Schotter, der Rest ist pure Erholung.

Nächstes Tagesziel: Kressbronn. Der Weg führt dicht vorbei an den Unteruhldinger Pfahlbauten, durch das imposante und geschichtsträchtige Meersburg, durch Hagnau und Immenstaad. Kein Gefallen findet das Teilstück zwischen Fischbach und Friedrichshafen. Hier führt der Radweg zu lange und zu dicht an der Landstraße entlang. Bald ist alles wieder gut. Am Abend soll ich Niederländern erklären, warum die Deutschen von der WM abgereist sind. Woher soll ich das wissen?

Tag vier des Radwegs, Ziel: Staad in der Schweiz. Auf dem Weg liegt Lin dau, die "Ich könnte-mich-in-sie-verlieben-Stadt-Nummer-zwei". Ein Cappuccino neben dem bayrischen Löwen am Hafen. Das hat was. Der Weg führt auch durch Bregrenz, wo ich mich samt Rad mit der Gondelbahn auf den Pfänder (1.062 Meter hoch) bringen lasse (ich weiß, hoch fahren wäre echter Sport). Aber ich wollte nur mal sehen, wie gut meine Bremsen sind. Acht Minuten geht es rasant steil bergab.

Die letzte Etappe bis zum Ausgangshotel zeigt mir die ganze Pracht des Bodensee-Südufers auf schweizerischer Seite. Ein kleines, schönes Dorf überbietet das nächste kleine, noch schönere Dorf. Große Pause in Konstanz, dann plane ich noch den Absteher auf die Insel Reichenau. Die hatte ich bei der ersten Etappe einfach mal ausgelassen. Gut, dass ich da war: meine persönliche "Ich-könnte-mich-in-sie-verlieben-Insel".

Morgen muss ich sicherlich nicht noch einmal zum Bodensee. Aber bald. Ja, es sind viele Menschen dort unterwegs. Aber ich habe dennoch eine große Ruhe empfunden. Und genau deswegen muss ich noch einmal dorthin. Bald. Mit dem Rad im Gepäck.

(Report Anzeigenblatt)