Pflege ist keine Ware

Pflege ist keine Ware

Noch steht die Entscheidung aus: Wird die Basis der Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag zustimmen oder nicht. Auch die ehemalige Landtagskandidatin aus dem Kreis Viersen, Tanja Jansen, wird ihre Stimme abgeben.

Als wir mit ihr am vergangenen Mittwoch sprachen, war sie sich noch nicht schlüssig.

 Tanja Jansen ist Krankenschwester. Sie sieht beim Thema Gesundheit und Pflege noch große Schwächen im Koalitionsvertrag. Foto: Privat
Tanja Jansen ist Krankenschwester. Sie sieht beim Thema Gesundheit und Pflege noch große Schwächen im Koalitionsvertrag. Foto: Privat

Insbesondere das, was zum Thema Gesundheit und Pflege ausgehandelt wurde, ließ die Krankenschwester nicht in Jubelstürme ausbrechen. Tanja Jansen ist Ratsfrau im Nettetaler Rat und Vorsitzende des Ortsverbandes Nettetal.

Ein wichtiges Gut im Alter: Fürsorgliche Pflege. Foto (Archiv): Kzenon/ fotolia.com
Ein wichtiges Gut im Alter: Fürsorgliche Pflege. Foto (Archiv): Kzenon/ fotolia.com

Gerade über das Thema „Gesundheit und Pflege“ haben Union und SPD lange gerungen. Die Personalausstattung in der Altenpflege und in den Krankenhäusern soll durch eine Sofortmaßnahme verbessert werden. 8.000 Stellen sollen geschaffen werden.

Tanja Jansen:

Das ist ein Teil des Koalitionsvertrages, den ich nicht unterstützen kann. 8.000 Stellen heißt 0,25 Stellen pro Einrichtung im ganzen Land. Das ist natürlich ein Witz. Das wird niemand merken. Wäre im Vertrag vermerkt worden, wir schaffen jetzt sofort 8.000 Stellen und ab Datum x weitere x Stellen, hätten wir eine andere Ausgangslage. Was nach der 8.000-Stellen-Maßnahme folgen soll, gibt der Koalitionsvertrag einfach nicht her. Und glauben Sie mir: Keine Einrichtung ist überbesetzt.

Wie viel neue Stellen bräuchten wir denn?

30.000, wenn man es von Beginn richtig machen wollte. Diese Zahl beinhaltet den gesamten Bedarf in der Pflege, nicht nur die Pflege in Einrichtungen.

Es stehen aber keine 30.000 arbeitslosen Fachkräfte zur Verfügung.

Richtig. Neue Kräfte fallen schließlich nicht vom Himmel. Der Pflegeberuf scheint bei jungen Menschen nicht die erste Wahl zu sein. Man muss die Ausbildung attraktiver gestalten. Schließlich sind die finanziellen Aufstiegsmöglichkeiten in der Ausbildung doch gering. Die Grundausbildung in der Pflege muss zusammengelegt werden. Eine Spezialisierung ist nach zwei Jahren immer noch möglich. Gesorgt werden muss auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Starre Arbeitszeiten wie Früh-, Spät- und Nachtdienst sind da nicht förderlich.

Das wäre doch sehr leicht zu organisieren.

Ja, aber warum geschieht es nicht? Weil es immer irgendwo irgendwelche Blockaden gibt.

Schwenken wir noch einmal kurz zurück: Wie wird der Fachkräftebedarf finanziert?

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Im Koalitionsvertrag steht oft „wir sollten, wir werden, wir würden“, aber nicht „wir machen“. Klar wird im Vertrag nicht, wie die 8.000 Stellen zu finanzieren sind. Man kann das Gespräch mit den Krankenversicherungen suchen. Ich vermute aber, die werden sich nicht angesprochen fühlen.

Hat Gesundheit und Pflege noch einen genügend hohen Wert? Muss unsere Gesellschaft nicht den Wandel wünschen, dass wir kranke und/ oder alte Menschen angemessen pflegen und versorgen?

Auf jeden Fall. Der Patient darf keine Ware sein. Ebenso darf auch Pflege keine Ware sein.

Ist die Bürgerversicherung der Weg in die richtige Richtung? Oder bedeutet die Bürgerversicherung ein „Zurück zum Staat“?

Das macht den Anschein, aber ich glaube, dass die Bürgerversicherung sehr gerecht ist: Paritätische Bezahlung, gerechte Verteilung von Facharztterminen, gleiche Leistungen – das würde der Zweiklassen-Medizin entgegenwirken. Chronisch Kranke würden bei der Zuzahlung entlastet. Bei knappen Renten kann das heute unter Umständen sehr eng werden. Hinter der Bürgerversicherung steht ein sozialer Gedanke. Das muss es uns wert sein. Wir wollen für alle Menschen das möglichst Beste – gleich welcher Herkunft, gleich welcher Gehaltsklasse.

Mit der Angleichung der Arzthonorare – gleich, ob von privater oder gesetzlicher Krankenkasse finanziert – will die SPD der Besserstellung von Privatpatienten entgegen wirken.

Ich glaube, die Ärzte haben damit kein Problem. Sie hätten sogar einen erheblich geringeren Bürokratieaufwand zu leisten. Die privaten Krankenversicherungen sehen das eher als Problem, denn sie wären bei einer Bürgerversicherung nicht mehr notwendig.

Welche Punkte im Koalitionsvertrag sind unstrittig?

Dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden beispielsweise. Gut ist, dass die Personalkosten für Pflegepersonal unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden soll. Und ich befürworte, dass Apotheken vor Ort gestärkt werden sollen. Ob der Zusteller dem Patienten erklären kann, wie oft das Medikament und in welcher Form zu nehmen ist, bezweifle ich. Der Service, den Apotheken vor Ort bieten können, ist zu wichtig.

Ganz schlecht ist allerdings, dass die Problematik der Versicherung von Hebammen im Koalitionsvertrag überhaupt nicht erwähnt wird.

Wäre „Jamaika“ nun doch zustande gekommen, dann wäre viel weniger sozialdemokratisches Wirken im einem Koalitionsvertrag zu finden gewesen.

Absolut. Die Grünen liegen beispielsweise beim Thema Bürgerversicherung nah bei uns, aber ich vermute, dass sie ihr Kernthema Umwelt mehr in den Vordergrund rücken wollten. Aber ich persönlich hätte mir gewünscht, Jamaika wäre zustande gekommen. Die SPD hätte in einer Opposition endlich das, was seit 20 Jahren propagiert wird – nämlich: wir erneuern uns – vollziehen können.

Frau Jansen, wie werden Sie nun abstimmen?

Natürlich können wir mehr SPD-Politik in einer Großen Koalition durchsetzen als in der Opposition. Das ist klar. Aber ich würde den Gedanken einer Minderheitsregierung sofort unterstützen, weil man dann um seine Positionen kämpfen und ringen müsste. Das wäre Politik. Wir können allerdings nicht so lange wählen lassen, bis der Politik das Ergebnis zusagt.

(Report Anzeigenblatt)