Töne treffen im Turm

Töne treffen im Turm

Wo sich „Jakob, der Jüngere“ von „Jacob, dem Älteren“ viel abgucken kann: Der Stadt Spiegel war zu Besuch beim Rheydter Knabenchor hoch oben in der Evangelischen Hauptkirche.

Für René ist donnerstags der „Tag mit zwei coolen Sachen“: Klettern steht später auf dem Plan. Erst mal Treppensteigen – rauf in Richtung Turmzimmer der Evangelischen Hauptkirche zur Probe des Rheydter Knabenchors – vor zehn Jahren gegründet von Kantor Udo Witt. Nicht ganz so lange dauert schon Renés Sanges-Lust, aber das Chorsingen liegt in der Familie: „Meine Mutter hat früher bei Theo Lass gesungen. Da wollte ich auch mal so was machen“, erzählt der Zwölfjährige.

Sitznachbar Jakob ist ganz frisch dabei. Vom routinierten 14-jährigen „Jacob, dem Älteren“ kann sich der Siebenjährige eine Menge abhören und abgucken. Das fängt schon beim Einsingen an, von Udo Witt, „dem Udo“, mit einem flotten „Auf mit euch!“ eingeläutet: Wie funktioniert das mit dem Umschalten auf die Kopfstimme, wie sieht die richtige Haltung aus? Viel zu tun für Jakob und die anderen: „Nicht die Hände in die Taschen!“, ertappt Udo Witt zu lässige Sängerknaben.

Jetzt möchte der Kantor, „Herr der Sauer-Orgel in der Evangelischen Hauptkirche“, hören, was von der letzten Stunde noch da ist. Verteilt wird das „Pie Jesu“ aus Gabriel Faurés Requiem, Op. 48 – und die Rheydter Sängerknaben zeigen, was sie gelernt haben: Auf den Punkt still und präsent zu sein, dem Adagio Soprano genau das zu verleihen, was dem Komponisten einst vorschwebte: Das „Süße und Ruhige“. Das klappt auch im Trikot, mit dem Fabian („Kinder haben heutzutage viel zu tun“) nach der Probe Richtung Fußballplatz verschwinden wird.

Derzeit singen 25 Jungen und junge Männer im Rheydter Knabenchor, mit dem die Tradition der „großen“ Knabenchöre neu belebt wird. Mit Erfolg: Das Repertoire der Rheydter Sänger umfasst Volkslieder, Kantaten, Oratorien. „Wir singen bei sehr vielen verschiedenen Gelegenheiten“, ist Udo Witt erfreut über das „Rumkommen“ seines Chors. Nächster Höhepunkt: Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ am Samstag, 20. Dezember. Bis dahin sei noch allerlei zu tun, lächelt Udo Witt: „Zum Beispiel lernen, wie man ein Blatt hält... nämlich in der Mitte, sonst knickt es euch weg. Und den Mund weit auf, damit man euch versteht.“ Dinge, die man nicht oft genug sagen kann, weiß er – und hat gleich darauf wieder Grund zur Freude: „Jetzt schön hoch hier, aufpassen... den Ton treffen, nicht lange ansingen... super.“

Die Sänger und der Kantor – lockere Atmosphäre und konzentriertes Arbeiten sorgen für klangvolle Ergebnisse. Erlebnisse (einmal jährlich gibt es eine einwöchige Chorfreizeit) sowieso – und da bleibt man gern über Jahre mit Spaß dabei, wie Philipp, Joshua und Johannes bestätigen: „Der Udo sucht immer gute Sachen aus.“ Dass man im Chor auch „alt werden“ kann, beweisen Noah und vier Mitsänger, von Anfang an dabei und mittlerweile zur „fantastischen Bassgruppe gereift“, freut sich Udo Witt, der für seinen Chor jedes Jahr fünf neue Sopranisten benötigt: „Wer Jungs zwischen sieben und elf mit einer schönen Stimme kennt, darf sie gern auf uns aufmerksam machen“, schmunzelt er. „Über Neue freuen wir uns immer.“ Stimmbildner Stephan Hensen, erklärt er, kümmert sich um die Ausbildung der jungen Stimmen, auch durch den Stimmbruch hindurch.

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Bis zum fantastischen Bass hat Marc, einer der Chor-Neulinge, noch einen ordentlichen Weg vor sich. Wie der aussehen soll, ist klar: „Hier weiter machen und später beruflich was mit Musik. Und als Nächstes zu Voice Kids.“

(StadtSpiegel)