Das Leben miteinander teilen

Das Bethanien-Kinderdorf in Waldniel wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Am Wochenende feierten viele Ehemalige und Schwestern miteinander.

Das Leben miteinander teilen – ohne einen Blick auf die Uhr, auf einen Dienstplan. Das war der Anfang der Bethanien-Kinderdörfer. 1947 begannen die Dominikanerinnen von Bethanien zunächst in den Niederlanden damit, elternlose Kinder aufzunehmen. Darum gebeten hatte sie der Bischof von Limburg.

Als die Schwestern Anfang der 1950-er Jahre die ehemalige Villa des Kommerzienrats Kaiser kauften, ging es nicht darum, ein prunkvolles Haus zu besitzen – die damalige Oberin, Mutter Imelda, sah auf den ersten Blick vor ihrem geistigen Auge die Möglichkeiten, die der große Park für die Einrichtung eines Kinderdorfes bot.

„Wir haben einfach gesagt: Ja gut, ich mach das“, erinnert sich Priorin Schwester Veronika. „Aber wir sind manchmal auch unbedarft an Dinge herangegangen.“ Sie war noch Novizin im Orden, als ihr die ersten Kinder anvertraut wurden. Sie durfte sie tagsüber betreuen, musste nachts aber abgelöst werden und im Schwesternhaus schlafen. „Ob ich kochen kann, hat mich niemand gefragt.“

Ida Dunkel ist 1974 als junge Erzieherin nach Bethanien gekommen, seit 1977 ist die 62-Jährige inzwischen Kinderdorfmutter. „Wir als Erwachsene wollen den Kindern immer noch das Beste mitgeben“, sagt sie. Es werde nur heute anders gestaltet als in den Anfangstagen.

Nicht mehr alle Gruppen im Kinderdorf sind Familien mit einer Kinderdorfmutter oder Kinderdorfeltern, die rund um die Uhr für die Kinder da sind. Seit Mitte der 1990-er Jahre gibt es auch Gruppen, die im Schichtdienst betreut werden. Was sich dagegen nicht verändert hat, ist der Geist von Bethanien. An erster Stelle steht die Hilfsbereitschaft. Zuverlässigkeit, Wertschätzung und Spiritualität gehören ebenso dazu.

Auch Kinderdorfleiter Klaus Esser ist von durch und durch Bethanier. Er hatte nach dem Studium der Heilpädagogik in Düsseldorf gearbeitet – aber nie den Ort vergessen, der ihm im Praktikum so viel gegeben hatte. Als vor 24 Jahren die Stellenausschreibung für einen Pädagogischen Leiter da war, fühlte er sich gerufen. Einige Studienkollegen schauten abschätzig. „Heim… das war nicht so die Karriere für einen Heilpädagogen“, sagt Esser lächelnd. „Aber ich wollte ja gar nicht in ein Heim, ich wollte ins Kinderdorf.“ Als er kam, waren 84 Kinder dort. Heute sind es 137. Dazu kommen die Kinder in der Tagesgruppe und im Betreuten Wohnen für junge

Erwachsene.

(Report Anzeigenblatt)