Von Freispruch bis lebenslänglich

Von Freispruch bis lebenslänglich

Die Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Prozess um den Tod des fünfjährigen Luca aus Dülken könnten unterschiedlicher nicht sein — Lebenslang für Martin S. wegen grausamen Mordes fordert der Staatsanwalt, der Verteidiger beantragt Freispruch.

Das Urteil wird am kommenden Dienstag erwartet.

Am kommenden Dienstag müssen die Richter der siebten großen Strafkammer Recht sprechen — wer hat den fünfjährigen Luca getötet? Und wie ist die Tat zu bewerten?

Für Staatsanwalt Stefan Lingens ist es ganz klar: Es war ein Mord, und zwar eine besonders grausame Tat. Er forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe. Juristisch gesehen deutet sich an, dass das Gericht die Tat bislang nicht als Mord wertet, sondern als Totschlag. Denn bislang lautet die Anklage auf Totschlag — wenn am kommenden Dienstag eine Verurteilung wegen Mordes erfolgten sollte, hätte das Gericht spätestens gestern einen entsprechenden "rechtlichen Hinweis" erteilen müssen. Lingens argumentierte, auch bei einer Verurteilung wegen Totschlags sei eine lebenslange Freiheitsstrafe angemessen. Er sprach von einem "Overkill" — es gebe erheblich mehr Verletzungen, als für die Tötung nötig gewesen wären. Für ihn stehe fest, dass Martin S. (27), der Lebensgefährte von Mutter Amanda Z. (24) die Misshandlungen begangen habe — das habe Luca selbst gesagt. Als belastend für S. wertete er den Mitschnitt der beiden Notrufe vom Morgen nach der Tat, in denen S. sehr unbeteiligt wirkt, während die Mutter im Hintergrund hysterisch schreit. Das wirke "authentisch", so Lingens, die Mutter sei von Lucas Tod überrascht. Für die Mutter forderte er eine dreijährige Freiheitsstrafe.

Auch für Nebenklage-Vertreterin Hiltrud Hören ist S. der Täter. Er habe auch gemeinsam mit seiner Mutter später die Wohnung aufgeräumt und geputzt — und dabei sicher auch Spuren beseitigt. Auch die Nachricht an seine Lebensgefährtin, er wolle mit der gemeinsamen Tochter untertauchen, wertete sie als Schuldeingeständnis. Sie forderte ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Martin S.' Verteidiger Hendrik Rente kam zu einem ganz anderen Schluss: "Das Einzige, was feststehet, ist, dass einer der beiden Angeklagten hier zu Recht sitzt", sagte er. Es gebe zwar Indizien, die seinen Mandanten belasteten, aber ebenso "genügend" Beweise, die gegen die Mutter sprächen. So habe sie schon den Kindsvater mit dem Messer bedroht oder ihren Sohn als "Bastard" bezeichnet. Das Jugendamt sei bereits in der Familie gewesen, als Martin S. noch überhaupt nicht mit Amanda Z. liiert gewesen sei. "Das Gericht kann nicht frei von Zweifeln feststellen, dass er es war", sagte Rente. Deshalb beantragte er einen Freispruch. Doch selbst wenn das Gericht seinen Mandanten für schuldig halte, könne die Tat nicht als Mord gewertet werden — das Mordmerkmal der Grausamkeit gelte nur dann als erfüllt, wenn das Opfer unter dieser Grausamkeit litt. Wäre Luca nach den ersten Schlägen bewusstlos gewesen, dann hätte er den Gewaltexzess nicht mehr bewusst miterlebt.

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Amanda Z.s Verteidiger Felix Menke hob noch einmal auf den Mitschnitt der Notrufe ab. Man könne diese Hysterie und Panik in der Stimme nicht spielen, seine Mandantin sei ehrlich entsetzt gewesen.Seine Mandantin wisse um ihren Teil der Schuld und auch darum, dass sie es "nie gutmachen" werde können. "Sie sagt: Ich habe das nicht sehen wollen", erklärte er, warum Amanda Z. sich nach den ersten Vorwürfen nicht von Martin S. getrennt habe. Bei der Strafzumessung für seine Mandantin bitte er darum, dass es bei einer Bewährungsstrafe bleibe — was im Zuschauerraum mit Unmutsbekundungen quittiert wurde. Amanda Z. habe den Tod ihres Sohnes nicht verschuldet, und sie trage die Verantwortung für die kleine Tochter, die einen Monat vor Lucas Tod geboren sei.

Auf ein Schlusswort verzichteten beide Angeklagte. Das Urteil fällt am kommenden Dienstag.

(StadtSpiegel)